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Wie Sägespäne.

In einem Forste in der Nähe von Steinsdorf ohnweit Weida machten einst zwei Männer längere Zeit Holz, und zu diesen gesellte sich täglich um die Mittagsstunde ein Holzweibel, das bat Brod von den beiden. Einer der Holzmacher aber verspottete das Holzweibel, während der andere von mitleidigem Sinn ihm stets gern etwas von seinem Brode gab. Da nun die Arbeit zu Ende ging, wußte das Weibel dieses, ohne daß es ihm Einer gesagt, und sprach zu dem Mildthätigen: Ihr werdet nun hin so bald nicht wieder arbeiten, und mich auch nicht mehr sehen. So will ich Dir, der es immer gut mit mir gemeint, auch einen Lohn geben. Daraus füllte es den Kober jenes Mannes mit Sägespänen und schwand hinweg. Da hatte der andere unbegabte nun seinen Spott über die Maaßen mit seinem Kameraden. Das ist ein rares Geschenk das! sagte er. Blitz, damit kannst Du dick thun, und Dir ein Schloß kaufen, und dergleichen Reden mehr. Darüber wurde der Begabte ärgerlich und schüttete, um nur ungeneckt zu bleiben, die Sägespäne aus dem Kober mitten auf den Weg. Nur einige wenige blieben noch im Korbe hängen. Es vergingen einige Tage, bis er wieder in das Holz wollte, und den Korb von der Wand nahm, da klingelte es darin, und wie er ihn öffnete, fielen ein Paar Goldstücke heraus, und ein Paar andere hingen noch am Flechtwerk fest. Das waren die Sägespäne des Holzweibels, und hätte der gute Tropf die andern nicht ausgeschüttet, so wäre des Spötters Wort wahr gewesen: er hatte sich ein Schloß kaufen und als ein Edelmann leben können.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/103&oldid=- (Version vom 1.8.2018)