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in ihr Recht theils als wilde Heerzugführerin oder Begleiterin, theils als dämonische Spinnefrau eingesetzt, sie heißt dort „die Wulle“, „die Fru Rolle“, „Fru Holle“; um Ilsenburg aber „Fru Frièn“ (Nachhall von Freia), und geht auf die Freite. „Fru Frèe mit dem groten Dume“ heißt sie in einem Kindermärchen jener Gegend, und es kann gar nicht fehlen, daß sie sammt dem Heereszuge auch über das Kiphäuser-Gebirge schwebte. Aber da hat die stets verjüngende Sage sie neu verwandelt, da ist sie des Barbarossa schöne Tochter oder Nichte, die mitverzauberte Prinzessin, welche gefolgt von ihren Hoffräulein auf weißen Pferden Nachts über das Gebirge schwebt. Aber auch bei diesen hat es die Sage nicht bewenden lassen, sondern stets bemüht, alte Ueberlieferungen umzugestalten, läßt sie Raubritter auf Burg Kiphausen wohnen, welche sich Fräulein rauben, und mit diesen auf die Jagd reiten. Diese sieht man noch in hellen Nächten auf schneeweißen Pferden über den Berg reiten, aber es ist nicht gut, ihnen zu begegnen.




388.
Bergentrückungen in den Kiphäuser.

Zu dem sich selbst in den Schooß des Kiphäusers verwünscht habenden Kaiser Friedrich wurden nicht selten Bewohner der Oberwelt zeitweilig, länger oder kürzer, entrückt. Die Sagen davon sind nächst den mythischen die ältesten der Kiphäusersagen. Ein junger Schäfer hüthete auf der Höhe der Burgtrümmer seine Heerde, gedachte des alten Kaisers mit Wehmuth, und spielte ihm auf seiner Schalmeie ein höfisches Liedlein auf. Da hob sich aus Gebüsch und Felsklippen ein greises Haupt mit Ehrfurcht

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/255&oldid=- (Version vom 1.8.2018)