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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller

ein Lyriker und Schalk dazu. Ein Kabinettstück seines feinsten Kulturhumors; eines seiner mancherlei Humore. Selbst die sogenannte Leier wurde ihm ja nie ganz fremd. Wenn das Herz ihn trieb, strömte er noch in sehr reifen Jahren den Überschwang in Reimen und Rhythmen aus. Die wundersam gestimmten Strophen aus Adriach bei Frohnleiten (Steiermark) sind zwar Handschrift geblieben, manches aber ließ er als Flugblatt für Freunde drucken. So das tiefe, fast selbstbiographische Gedicht: »Auf der Höhe« (»zur Erinnerung an Wilhelm Schenner«, Frohnleiten, 16. September 1891). Schenner war sein Jugendfreund aus Ulm, später Professor der Musik in Wien. Oder jenes furchtbare Hohn- und Strafgedicht: »Goethe und die Goetheforscherei«, worin er den Knittelvers mit mehr als Hans Sachsscher Wucht und schier mehr als Sp.schem Grimm um die Schädel der banausischen Goetheschnüffler sausen läßt. Er war ein Dichter von Herzenssachen. Für das Publikum mochte er nicht dichten. Freilich, die Zeitung zwang ihn dazu, in allerlei Tagesformen. Wenn Weihnachten kam, oder Ostern, buchstäblich alle heiligen Zeiten einmal, schrieb er ein Feuilleton, das allerdings ein Gedicht war. Den biederen Typus des sogenannten Weihnachtsfeuilletons, mit seiner obligaten Gelegenheitsmäßigkeit, machte er in Wien ein für allemal unmöglich. Nun galt es an solchen Tagen plötzlich Tiefe haben, Natur, Wärme, Menschlichkeit, Stimmung. Wer hatte das alles, so wie er? Und Humor dazu, dieses in seiner Unbestimmtheit so wirkliche Etwas, über alle Tragik und Komik hinaus, die irrationale Zahl in der geistigen Lebensrechnung. Das waren rechte Festmorgen des Lesers. Und der Leserin. Der Wienerin, für welche dieser Schwabe so viel übrig hatte, die er so mit dem Herzen verstand. »Das Beste, was die Wiener besitzen, sind ihre Frauen«, schrieb er einst in jenem Meisterwerk aus dem Leben geschöpfter Stimmungsprosa: »Eine Wienerin.« Das war eigentlich der Nekrolog einer Frau; Cölestine Bösendorfers, der Gattin seines alten Freundes Ludwig Bösendorfer. Einer edlen Dame und einfachen Frau. Als ob es eine einfache Frau gäbe! »Man lernt schon eine einzige Frau nie ganz kennen« (ich zitiere aus dem Gedächtnis), schrieb er einst. »Was ist doch ein Mädchen für ein oberflächliches und zugleich tiefes Ding«, steht in einem seiner geheimsten Tagebuchheftchen. Er bewunderte die Frau zeitlebens als Krone der Schöpfung, bis in ihre physischesten Arrangements hinein. So in dem Feuilleton: »Weibesschönheit«: »Wenn man die schlauen Gänge und den Situationswitz der Natur überdenkt, so ist das Weib das Meisterstück der Schöpfung… Ein System von Zwecken, aber das wundervollste, das in dieser Welt zu erspähen.« Und dann wieder einmal scherzend, mit dem scharfen Jägerblick für die Natürlichkeiten aller Geschöpfe, wenn er etwa vom breit hintappenden Gang der Venezianerin sagt: »als hätte sie Schwimmhäute zwischen den Zehen«. Aus diesem tiefen, elementaren und doch wieder abschätzenden Mannesgefühl für das Weib, aus dieser Triebhaftigkeit des Verständnisses für das Geschlecht, flossen dann gewisse lebensphilosophische Festdichtungen, die man auch nur Feuilletons nannte. »Frauenalter«, »Für die Wienerinnen«, »Fanny Elßlers Fuß«, »Hans Makart und die Frauen«, »Ohne Mutter« (»Die Mütter sind überall zugegen, und müßten sie das Grabgewölbe durchbrechen«), die märchenartige Novellette »Spiegelbilder«, »Die Kunst, arm zu werden«, aber auch einige spätere Nekrologe,

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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller. Reimer, Berlin 1908, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Speidel,_Schriftsteller.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)