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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller

herum. Erst seine Frau schaffte Gestelle an und hielt sie und ihn in Ordnung. Mit Bruder Wilhelm war seine Beziehung viele Jahre gespannt. Sie waren zu verschieden gestimmt. Wilhelm, ein grundtüchtiger Mann, war von etwas sprödem Ernst und erzieherischem Wesen. Da konnte sich denn Ludwig, den Schalk im Nacken, gelegentlich nicht enthalten, ihm einen kleinen Possen zu spielen. So schrieb er ihm unter anderem: »Ich muß mir nur noch eine Fetter schneiden«, und richtig ging Wilhelm in die Falle und berichtigte postwendend: »Ich mache Dich aufmerksam, lieber Bruder, daß man nicht Fetter, sondern Feder schreibt.« In diesen jungen Gärungsjahren war Ludwigs Stimmung unbehaglich genug. Es galt Stellung zu nehmen zum Leben, vor allem zum Brot. Einen Brotberuf hatte er nicht, ein »Fach« war ihm nicht beschieden. Ihm blühte höchstens das Unterrichtgeben oder die obligate Hofmeisterstelle so vieler junger Helden der Literaturgeschichte. Wo hinaus? An dringenden Ermahnungen wird es nicht gefehlt haben. Der Vater hatte noch für zwei Töchter zu sorgen. Und die Flügel zum Aufschwung waren noch nicht frei. Beleuchtend ist folgende Briefstelle Wilhelms (München, 6. Nov. 1850): »Packe Deine Habseligkeiten zusammen und schreibe mir noch genau, wann Du Ulm verlassen kannst, um Dir einen Zehrpfennig auf die Herreise schicken zu können. Wenn Du mit sehr kleinen Ansprüchen und bescheiden in jeder Hinsicht hieherkommst, wird es Dir mit Gottes Hilfe gut gehen. Ich will erst tun, was in meinen geringen Kräften steht, und ich glaube, daß Du bald einige Stunden bekommen wirst; freilich über 30 Kreuzer die Stunde darfst Du nicht verlangen. Ich habe schon mit Frau Förster, Frau von Aretin und Frau Kaulbach gesprochen, die Dich genügend empfehlen werden. Du wirst Dich dann mit aller Deiner Kraft auf ein gewisses Studium werfen und dabei bleiben. Dies ist der einzige Wunsch, den Du mir erfüllen mußt.« Zum Schluß: »Komme anspruchslos und bescheiden. Dies noch eine Bitte neben dem obigen Wunsch.«

München, das war dann die Welt. Das Lernen im Großen, das Schaffen im Lebendigen, das Mitleben in jedem Sinne. Seine geniale Frische, sein herzhaftes Wesen gewann ihm die Bedeutenden der Zeit. In wie manchem Feuilleton hat er später das damalige München geschildert, den Kreis der Kaulbach, Ernst Förster, Fallmerayer, Liebig, Steub, Bayersdorfer; er hat ihre Namen in »Erinnerungen« gleich girlandenweise durch die Spalten des Feuilletons gespannt, nicht ohne jene kurzen Charakteristiken, die alles mögliche zu sagen wußten. Über Kaulbach schrieb er 1874: »Er ist mehr gewesen als seine Werke. Ich bekenne frei, daß ich mich erkenntlich fühle für das Glück, ihn gekannt, daß ich ihm dankbar bin für die seltene Gunst, mir das Schauspiel einer bedeutenden Persönlichkeit gewährt zu haben.« Jeden Sonn- und Feiertag traf sich bei Kaulbach erlesene Gesellschaft, obgleich »er es durch seine Fresken mit aller Welt verdorben hatte. Der Widerwille gegen diese Fresken hat auch auf die übrigen Werke Kaulbachs seinen gelben Schein geworfen«. Er wettert dagegen, daß man auf Kaulbachs Kosten »kleinere Talente emporhebt, wie z. B. Schwind, der nur im Kleinen groß ist, während er größeren Aufgaben gegenüber bedenklich zusammenschwindet«. (Daß die Äußerung über Schwind nur ad hoc gelten soll, braucht wohl nicht betont zu werden.) Darum

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller. Reimer, Berlin 1908, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Speidel,_Schriftsteller.pdf/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)