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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller

kamen zu Kaulbach mehr Schriftsteller und Gelehrte. »Salon? Kaulbach würde lachen. Und doch ist es wahr, daß die Gesellschaften in Kaulbachs Haus durch Einfachheit und heitere Freiheit des Tones an das französische Salonleben erinnern. Die Anwesenden teilen sich in Gruppen, und gruppenweise wird konversiert« usw. Frau von Kaulbach aber ist ihm, nach Ludwig Steubs Ausdruck, »die erste Frau Münchens«. So nennt er sie in einem Reisebrief an seine Frau und berichtet nicht ohne Wehmut, wie sie ihr vierzig Jahre bewohntes Gartenhaus (in dem auch noch Kürnberger gestorben) verlassen mußte, nachdem sie an der Wiener Börse ihr Vermögen verloren. Auch das Förstersche Haus wurde dem jungen Sp. ein Heim. Die Hausfrau war bekanntlich Jean Pauls Tochter (»Paul«, nicht »Pol« ausgesprochen, bemerkte er mir gelegentlich), und daher kam für ihn eine Zeit des Jean Paul-Kultus. Auch den berühmten »Zettelkasten« des Dichters sah er dort noch stehen. »Meinen grün gebundenen, in Gold gepreßten Jean Paul vom Bücherbrette holen«, schreibt er einmal, da er der Erquickung bedarf. Jedenfalls war Sp. in diesem Kreise nicht bloß ein empfangendes, sondern auch schon ein gebendes Element. Beweis dafür, wenn Bruder Wilhelm ihm (25. Okt. 1853) nach Wien schreibt: »Kaulbach sagte mir vorige Woche: ,Ludwig geht mir recht ab; was ich mit ihm zusammen sprach, kann ich hier in München mit niemandem sprechen, obgleich es selten war.‘ Dingelstedt, den ich neulich traf, erging sich mit großem Bedauern über Dein Fortsein, und Lachner soll ganz unglücklich sein. Nun scheint es doch, daß er jemand gefunden hat, der den Vorsatz hat, das Geschäft in Deiner Weise fortzutreiben. In einer der letzten Allgemeinen steht nämlich ein Aufsatz über die Beethovensche Messe in Deinem Ton. Teichlein ereiferte sich schon über Dein mildes Urteil, was Du Dir schon in Wien angeschafft hast, er fürchtet sehr für dessen Selbständigkeit. Er meint, Du wärest schon ganz verwienert, und Laube hätte sehr wohl daran getan, sich einen kommen zu lassen, der, vom Glanz frappiert, seine großen Eindrücke in die Spalten der Allgemeinen niederlegt.« Sp. war nämlich, dank seinen Verbindungen, statt Stunden zu 30 Kreuzer zu geben, Musikkritiker der »Allgemeinen Zeitung« geworden, der er dann noch von Wien aus kritische Berichte schrieb. Die erste Sp.sche Kritik in der Beilage der Allgemeinen erschien am 28. Oktober 1852. (Wieder abgedruckt nach Sp.s Tode im Feuilleton des 9. Februar 1906.) »Musikalisches aus München«, vom 26. Oktober datiert, mit der Chiffre »V« bezeichnet. Es handelt von dem neuen Programm der Odeonkonzerte, wo als Novum auch Wagners Tannhäuser-Ouvertüre gegeben werden soll. Von Wagner sei »hierorts noch kein Ton gehört worden« und dieses Stück keine gute Einführung. Wagners Hauptstärke sei die »Dramatik«, man müsse »ein ganzes Opernwerk« von ihm aufführen. Er begründet dies an der Hand des Buches über Oper und Drama und kennzeichnet dessen »paradoxe Behauptungen«. Er ist für diese nicht eingenommen, meint aber doch: »Auf die Länge ist Richard Wagner gewiß nicht von der Bühne abzuweisen. Möge man von dem absoluten Werte seiner Werke denken, was immer man wolle, eine geschichtliche Bedeutung haben sie unbestreitbar und werden auch auf die künftige Entwicklung der Oper einen nachhaltigen Eindruck ausüben.« Die erste gedruckte Äußerung Sp.s über Wagner, den er aufgeführt sehen will. Am Schlusse des Berichtes

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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller. Reimer, Berlin 1908, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Speidel,_Schriftsteller.pdf/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)