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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller

spricht er von der Sängerin Frl. Falconi-Bochkolz. Er lobt sie, aber »die Natur hat ihr, wie den meisten Singvögeln, Schönheit des Leibes versagt«. Eine schon sehr Sp.sche Pointe.

Nach Wien kam Sp. im Jahre 1853. Gleichzeitig mit dem schönen Wittelsbacherkinde, das die Zierde des Habsburgerthrones werden sollte. Es heißt, er sei aus diesem Anlaß als Berichterstatter entsandt worden. Aber er und Wien ließen einander nicht mehr los. Noch immer spuken Kaulbachsche Worte in seinem Hirn. Der hatte aus Wien geschrieben: »Hier geht alles im Dreivierteltakt, auch die Kunst.« Sp. knüpft daran, schon in Wien, bedenkliche Betrachtungen: »Das ist ein lustiges Wort für eine traurige Sache. Einem Fremden, der Wien nur berührt, wie die fliegende Schwalbe das Wasser, mag es gestattet sein, sich mit solchem Witze den ganzen Jammer des österreichischen Kunstwesens von den Flügeln zu schütteln; wer aber in diesen Käfig eingesperrt ist, der lernt andere Weisen pfeifen.« Den »Anschluß«, dessen er als Wesensfremder in all der Halbschlächtigkeit dringend bedurfte, fand er zunächst bei Karl Rahl. Doch davon später. Jedenfalls fand er hier einen breiten Strom, in dem er mit starken Armen schwimmen konnte. Er wienerte sich bald ein und hatte ja auch wirklich, wie Brahms, Gabillons, Hartmanns, Dombaumeister Schmidt und so viele andere aus dem Reich, ein angeborenes Talent, Wiener zu werden. Jene gewissen besonderen Eigenschaften, die z. B. Anselm Feuerbach nicht besaß. An Fleiß ließ er es nicht fehlen. In jener geschnitzten Truhe finden sich noch bündelweise sortiert seine Beiträge zu allen möglichen Zeitungen. Er schrieb für den »Wanderer« (1854 und dann wieder 1869–70, aus diesen Jahren hat er sich auch einen Pack Joh. N. Bergerscher Leitartikel aufgehoben), für den »Lloyd« (1854), die »Donau« (1855–63), die »Österreichische Zeitung« von Albert Hugo (1855–58), Hugos »Jagdzeitung« (1858, u. a. über Laubes »Jagdbrevier«), die »Morgen-Post« (1858), O. B. Friedmanns »Neueste Nachrichten« (1859), die »Wiener Zeitung« (1858–59). Er schrieb damals und noch in den sechziger Jahren viel, oft und über alles: Theater, Musik, Kunst, Plaudereien, Humoresken, Reisebriefe, sogar aus Prag und Pest, Genrebilder, Stimmungsbilder aus dem Wienerwald. Selbst für den Leitartikel wurde er gepreßt. Er ging in sämtliche Vorstadttheater, ja in ländliche Sommertheater, schrieb über die kleinsten Debuts (z. B. Karl Bukovics als Max im »Freischütz«) und die unklassischesten Stücke. Er kritisierte sogar eine Verherrlichung des persischen Insektenpulvers im Thaliatheater, in einem Zacherlstücke von Th. Flamm. Da hieß es denn: »Es schlagen in ganz Österreich wenig fühlende Herzen, denen Herr Zacherl nicht einmal ein stiller Wohltäter gewesen« und er stellt sich den Mann vor als einen von den Erinnyen erschlagenen Ungeziefers gehetzten Helden. Im Sommertheater zu Braunhirschen würdigt er tapfer Anton Langers Posse: »Der Bankier von Wachs«. Wie der richtige Schauspieler in seinen Anfängen, »kugelte er sich herum«. Das waren seine Schmierenjahre, nichts Feuilletonistisches blieb ihm fremd. Mit diesen Erfahrungen im Leibe konnte er dann die Höhen seiner Kunst erklimmen. In den sechziger Jahren sehen wir ihn für Karl Terzkys »Glocke« arbeiten (1863–64). Da kommt sogar eine »Petition des Praterwurstls an den Gemeinderat« vor, natürlich pro Wurstl. Und eine Humoreske: »Die Pitsche«, wider das eklige Abtropfbier;

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller. Reimer, Berlin 1908, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Speidel,_Schriftsteller.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)