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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller

ganz macbethisch ist der Ausruf: »Töte nicht das Bier!« Die »Glocke« wurde aber von seinem vertrauten Freunde Bernhard Scholz gegründet, dem rheinischen Dramatiker, der dann wieder heim ging und in Wiesbaden schon 1871 starb. Die Nekrolognummer seines dort herausgegebenen Blattes, des »Rheinischen Kurier« (12. Dezember) hat sich Sp. aufgehoben. Längere Dauer hatte seine Mitarbeit am »Vaterland« (1860-64), das ihn auch nach London zur großen Kunstgewerbeausstellung schickte. Das wurde freilich ein berühmtes Abenteuer. Die noch jetzt herrschende Sage in Wien ist, daß er überhaupt nie bis London gelangte, sondern unterwegs im Münchener Hofbräu sitzen blieb. Der sei stärker gewesen als er und das Vaterland. Das ist wieder einmal nicht wahr. Er wurde in London krank und konnte unmöglich schreiben. Es ist urkundlich erwiesen durch einen Brief seiner Schwester Josephine an seine Frau (11. Juli 1862), worin es heißt: »Das Londoner Klima hat ihm recht arg zugesetzt, seine Hausfrau, des shorthand writers löbliche Ehehälfte, hat mir einen trostlosen Bericht über Ludwigs Zustand gegeben. Doch habe ich mich bald darüber getröstet, da ich ihn so munter und »lieb« getroffen habe, nur wollte er noch nichts essen und ernährte sich mit beinahe nichts als Tee, von dem er mit einer gewissen Leidenschaft einige zwanzig Tassen hinunterschlürfte, was mich nicht wenig ergötzte.« Seine Zeitung aber mußte sich freilich anders helfen und tat dies den Lesern durch folgende Notiz kund, die sich noch als Ausschnitt unter den Papieren findet: »Herr Ludwig Speidel, unser Berichterstatter für die Londoner Ausstellung, ist, wie wir infolge gütiger Mitteilungen erfahren, leider auf der Reise mehrfach erkrankt und es ist daher zu bezweifeln, ob wir von ihm Briefe über die große Ausstellung empfangen. Inzwischen werden die geistvollen Berichte des Herrn Levin Schücking unsere Leser vollständig entschädigen.« In den folgenden Jahren finden wir ihn dann noch bei der »Presse«, 1872 bei der »Deutschen Zeitung«, mit einzelnen Musikfeuilletons auch in der »Montags-Revue« (1879), in der Hauptsache aber als erste Feuilletonkraft der »Neuen Freien Presse«, seit ihrer Begründung, und durch mehr als vierzig Jahre als Musikkritiker des Wiener »Fremden-Blatt«. Nur in ganz besonderen Fällen (Schillerfest u. dgl.) zeichnete er mit seinem Namen, sonst nur mit der berühmt gewordenen Chiffre »L. Sp.«, im »Fremden-Blatt« mit »sp.«. Anderwärts benutzte er die verschiedensten Chiffern: § (sogar noch als Kunstreferent der » N. Fr. Pr.«), σπ (Musikalisches in der »Wiener Ztg.«), –l, , X, * u. s. f. Die Chiffre »L. Sp.« hatte er schon 1855 in der »Donau«.

An Karl Rahl also schloß er sich in Wien zuerst an, mit der ganzen Hingabe seiner warmen Jugend. Man sieht, er kam von Kaulbach und den großen historisch-allegorischen »Maschinen« des damaligen München her. Er suchte und brauchte wieder eine Vollnatur, als ein Naturschauspiel, seine Seele zu füllen. Das Wort Übermensch war damals noch nicht geprägt, aber Rahl war einer. Und er hatte sich einen Überstil gemacht, gut für Augen, die was vertrugen, und hatte dazu noch ein neues großes Farbengefühl. Wie oft hat Sp. seinen Rahl gefeiert, mit allen seinen kraftnatürlichen Eigenschaften, seine »Macht der Invektive« mit inbegriffen, »deren Feuer noch den Schmutz adelte«, und seinen »Zynismus, das Erbteil der Ärzte und Maler, der sich in aristophanisch-großartigen Formen bewegte«.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller. Reimer, Berlin 1908, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Speidel,_Schriftsteller.pdf/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)