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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller

»Zum ersten Male seit Schubert hat Wien wieder einen großen schöpferischen Künstler hervorgebracht, aber man verfährt mit ihm, als ob die Genien hierzulande gleich Distelköpfen wucherten« (1865). Er schildert ihn selbst noch aufgebahrt. »Seinen Kopf, in welchem sich die Züge eines Sehers mit denen eines antiken Waldgottes wunderbar verschmolzen.« Er beschwört noch jede einzelne Gebärde des Mannes herauf. »Beim Sprechen pflegte er die geschlossene Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger der Schläfe zu nähern.« Er bewunderte ihn als »wirklichen Maler«, neben dem ihm Gallait grau erschien. Und Rahl war keiner von den »Flachen und Modernen«, er war »unberührt geblieben von jener krankhaften Zeitrichtung, die man Realismus heißt«. (Man bemerke, was ihm damals als »krankhaft« galt; jetzt ist dies das Wort der Realisten für die modernen Romantiker.) Nur für Wilhelm Leibl, unter allen Malern, fand er später solche Wärme, als er ihn, von Wilhelm Trübner geführt, in Aibling aufgesucht hatte (1881). Als Rahls athenischer Fries in Reproduktion erschien, schrieb Sp. dazu die ausführliche Erläuterung. Und einige Kohlenstudien Rahls hingen zeitlebens in seinem Salon. Es ist interessant, wie er 1866, noch im Banne des toten Rahl, den toten Wiener Großrealisten Waldmüller, den »Bauern-Rafael«, beurteilte. Die Waldmüller-Ausstellung schien ihm unter der kurz vorher stattgefundenen Rahl-Ausstellung nicht wenig zu leiden. Er vermißt bei W. »das Halten an der Tradition«. »Die künstlerische Blütezeit Waldmüllers war kurz bemessen, sie füllte kaum ein Jahrzehent aus. Seine besten Werke fallen in die vierziger Jahre und wie ihm bis dahin nichts Rechtes gelingen wollte, so geht es mit ihm vom Jahre 1848 an rasch bergab. Seine späteren Gemälde, die durchaus manieriert sind und geradezu auf das Häßliche losgehen, sind nicht mehr genießbar. Wie schon früher, nachdem ihm sein Bestes gelungen, so vertauscht er auch jetzt, nachdem er sein Mißlungenstes hervorgebracht, den Pinsel mit der Feder und will die Welt mit einer neuen Lehre von der Kunst beglücken. Diese Schriften, die das niedrigste theoretische Bewußtsein von der Kunst verraten, haben dem seligen Meister viele Feinde zugezogen und selbst verständige Leute für seine wirklichen Verdienste blind gemacht. Was nahm man ihn aber auch beim Wort und nicht beim Werke? Wir lächeln über seine wunderlichen, ganz und gar verworrenen und verschrobenen Ansichten von der Kunst; wenn wir aber auf etwa ein halbes Dutzend seiner Bilder blicken, so müssen wir sagen, daß weder ein österreichischer, noch ein deutscher Genremaler der neueren Zeit solche lebendige und lebensfähige Werke geschaffen.« Dieser herzhafte und unumwundene Schluß zeigt, wie lebendig der Kritiker das Lebendige des Malers spürte; was vorangeht, ist eben die Meinung der besten Kunstkenner jener akademischen Zeit. Auch ich hätte keine andere gehabt. Bei den »Modernen Amoretten« des eben auftauchenden Makart schreibt er: »Wo dieses jugendliche Talent hinaus will, wissen die Götter. Es steht leider zu befürchten, daß es sich in leerer Virtuosität verlieren werde.« Er hatte das nämliche Gefühl, wie Anselm Feuerbach, der in seinen Aufzeichnungen die schlimmsten Worte für Makart findet. Feuerbach strömte seine Entrüstung in einem ganzen Aufsatz: »Makartismus« aus, dessen Handschrift er eigens Sp. schenkte. (Sie saßen damals oft im Café Schwarzenberg, Heugasse, zu Biere.) Es ist eben nicht leicht, Kaulbach und Rahl restlos zu verdauen, und Cornelius und

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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller. Reimer, Berlin 1908, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Speidel,_Schriftsteller.pdf/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)