1400 war zu Lübeck ein Hausdiener oder Rothrock, der bei einem alten Burgemeister die Aufwartung hatte. Dieser Distelfink, so hieß er, hatte in früheren Jahren der Stadt um Reitersold gedient; da er aber des Schreibens und der Rechnungen wohl kundig, hatte ihn besagter Burgemeister an das Haus als Diener befördert. Aber er war so geizig, daß all sein Trachten darauf stand, wie er sich Geld und Gut erwerben möchte, und er stahl nicht allein an der Kämmerei, sondern trat für Geld auch mit der Stadt Feinden in geheime Kundschaft.
Diesen nun hatte, für ein gut Stück Geld, Herr Balthasar, Fürst zu Wenden, gewonnen, daß er ihm die Stadt verrathen sollte. Da Distelfink ihm zugesagt, verband er sich mit Barnam, Herzog zu Wolgast, der des Seefahrens überdrüssig geworden; und zogen beide mit 1600 Pferden gen Lübeck, ohne daß sie Einem Rath abgesagt. Distelfink, welcher alle geheimen Wege und Stege kannte, war ihr Führer, und so fielen sie in die Lübsche Landwehre bei Fredeborg, wo sie einen Wagen mit Rheinischem Wein fanden, den sie theils wegführten, theils austranken, und in der Trunkenheit den großen Christoffer daselbst in Brand setzten.
Dadurch nun wurden die Bürger in der Stadt Lübeck, welche sich nichts versahen, aufmerksam und zeigten’s
Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/185&oldid=- (Version vom 1.8.2018)