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175. Der Mörder Giese.

1527 auf Palmsonntag-Abend ging eine Frau, die unten am Jerusalemsberg wohnte, mit einem Lechel Bier aus Lübeck. Sie lebte nur knapp, richtete aber alles genau ein, wenn sie auch nicht immer auskam. Der Mann war ein Trunkenbold. – Warum? weiß man nicht, aber wie den Abend das arme Weib nach Hause kömmt, fängt er an mit ihr zu zanken, zieht vom Leder und haut nach ihr. Am Hals nicht gering verwundet, springt sie hinaus, um Hülfe zu suchen; da sie aber in den Graben stürzt, fällt er über sie her und schlägt sie todt. Wie er sie darauf mißhandelt, ist nicht auszusprechen, auch sonst nicht geschehn, so lange Lübeck gestanden: genug, daß man nachher noch die Überreste eines ungebornen Kindes bei ihm fand, deren er zur Hexerei gebrauchen wollen.

Nach der That packte er ruhig seine Habseligkeiten zusammen, ließ den Leichnam liegen, und machte sich davon. – Der Körper aber war kaum gefunden: so bemächtigte sich ein Entsetzen und eine Wuth der ganzen Stadt. Zu Pferde und zu Fuß sprengte nach allen Seiten alles aus, was nur sich regen konnte; endlich fand man den Kerl samt seinem Gepäck in einem Boot zu Herrenwiek, wo er sich durch einen Jungen nach der Meklenburger

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Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/317&oldid=- (Version vom 1.8.2018)