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Seite:Meyers Universum 1. Band 1. Auflage 1833.djvu/100

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Stadt von Tempeln, und selbst die sie umgebenden Werke kriegerischer Abwehr wurden, mit unerhörter Verschwendung von Blöcken des kostbarsten Marmors und mit den herrlichsten Werken der Bildhauerkunst geschmückt, aufgeführt. Sie schlossen das Erhabenste, Vortrefflichste ein, was die bildende Kunst unter irgend einem Volke und zu irgend einer Zeit hervorgebracht hat. Hier stand das Parthenon, oder der Tempel der Minerva, dieses Gebäude, welches noch in seinen Trümmern, (die auf unserm Bilde, die Festungsmauern überragend, sichtbar werden) die Bewunderung der Welt ist; in ihm die Bildsäule der Minerva von Phidias, dem Homer der Kunst, nebst seinem Jupiter, das erhabenste Werk der Bildhauerei aller Zeiten, von Elfenbein gebildet, 46 Fuß hoch, ganz mit gediegenem Golde, für mehr als eine Million Thaler an Werth, überzogen. – Das Parthenon hatte sich bis vor anderthalb Jahrhunderten fast unversehrt erhalten. Im Kriege der Türken mit den Venetianern diente es erstern zum Pulvermagazin; eine Bombe sprengte es in die Luft und hinterließ nichts als die herrliche Trümmer.

Die Propyläen, majestätische Säulenhallen von Phrygischem Marmor, von denen noch 6 Colonnen, zum Theil vermauert, zum Theil außerhalb der Mauern (vergl. den Stahlstich) aus tiefem Schutte sich erheben, bildeten zum Parthenon den dem Hauptgebäude würdigen Eingang. Nördlich von diesem (die hintere, die Akropolismauern überragende Ruine auf unserm Bilde) stand das Erechtheum, – ein Doppeltempel, Ionischer Bauart, von Alabaster, – der eine der Minerva Polias, der andere dem Pandrosus geheiligt. Die südliche Fronte dieses bewunderten Gebäudes wurde durch weibliche Säulenstatuen (Caryatiden) von 25 Fuß Höhe, jede aus einem Marmorblock gebildet, getragen, noch jetzt, obschon verstümmelt und durch den 2000jährigen Einfluß der Zeit und der Elemente verwittert, die Bewunderung der Kunst. Auf der vordern Seite der Akropolis, an jedem Ende derselben, standen zwei Theater, das eine von Phrygischem buntem Marmor, das andere aus Alabaster errichtet. Letzteres (das Odeum) war den Singspielen, jenes dem eigentlichen Schauspiel gewidmet und dem Bacchus geweiht. Von beiden ist jetzt keine Spur mehr vorhanden. Noch vor 300 Jahren waren die kolossalen Trümmer Gegenstände des Staunens für alle Reisenden; sie wurden von den Türken bei Aenderung der Festungswerke, welche die Einführung des Geschützes der neuern Kriegskunst nothwendig machte, abgebrochen und als Baumaterial benutzt. Die schönsten Basreliefs, Fragmente der kostbarsten Bildhauerarbeit, sind in den damals aufgerichteten Mauern überall noch sichtbar. In der untern Stadt zeichneten sich zur Zeit des Perikles eine Menge kaum weniger prachtvollen Gebäude aus, von denen aber meistens nur dürftige Anzeichen, – einzelne aus dem Schutte, oder aus neuern Gebäuden hervorragende Säulen, und hier und da Theile von Substruktionen, auf unsere Zeit gekommen sind. Am bemerkenswerthsten sind die Laterne des Demosthenes, ein wunderschöner Tempel, jetzt im Hofe des Kapuzinerklosters stehend und von den Mönchen als Heumagazin benutzt: – vor allen aber das Hauptthor der Minervenstadt, mit seinem herrlichen Portikus, vom Kaiser Hadrian erneuert, das best-erhaltene Bauwerk der atheniensischen