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Seite:Meyers Universum 1. Band 1. Auflage 1833.djvu/139

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regellosen Steinhaufen in ihrer ganzen ursprünglichen Majestät. Das Innere ist höchst prachtvoll und von der größten Wirkung. Neun große, bronzene, antike Thüren bilden, durch eine hehre Vorhalle, den Eingang. Der Fußboden besteht ganz aus kunstvoller Mosaik von köstlichem Porphyr und Verdantiko. Alle Wände sind mit Marmor bekleidet. Mit der großen Kuppel, deren inneres Gewölbe ganz mit Gold und einer durchsichtigen Mosaik ausgelegt ist, sind noch 2 Halbkuppeln und 6 kleinere auf eine den Eindruck des Ganzen wundervoll erhebende Art verbunden. Rund um das, 109 Fuß im Durchmesser haltende Gewölbe läuft eine durch 24 Bogenfenster erhellte Galerie aus Marmor, getragen von 67 antiken Säulen, entnommen aus den Ueberresten der herrlichsten Bauwerke des Alterthums. 6 davon gehörten dem weltberühmten Dianen-Tempel zu Ephesus, 8 dem Sonnentempel in Rom an. Das ganze Gebäude hat im Innern 270 Fuß Länge und 200 Fuß Breite, der Hauptdom 170 Fuß Höhe. Ohne Erlaubniß des Großherrn darf kein Christ den Tempel betreten. Die 4 Säulenthürme, (Minarets), welche denselben rechtwinklich umgeben, stehen isolirt und sind ein Zusatz der Türken.

Links von der Sophienkirche erhebt sich eine mit Kuppeln bedeckte, und mit Minarets umstellte Gebäudemasse – es ist die große Moschee Sultans Achmed. Auch zu ihrer Verzierung wurden eine Menge Säulen den schönsten Gebäuden des Alterthums entzogen. Außer dieser Moschee zählt Constantinopel noch eine Menge anderer, an 5000 mohamedanische Bethäuser, 36 christliche Kirchen aller Confessionen, 11 Vorbereitungsanstalten zum Staatsdienst für 1600 Eleven und über 1800 Schulen. In 5000 Kaffeehäusern und Opiumbuden fröhnt der träge, arbeitsscheue Türke dem Genuß der Ruhe, des Träumens und der Bewußtlosigkeit. Die Bazars sind große steinerne Gebäude mit Arkaden, unter denen sich die Läden befinden, und diese Märkte sind Mittelpunkte des Handels für das ganze türkische Reich. Fast jede einzelne Waare hat ihren besonderen Bazar, auch die Sklavinnen haben den ihrigen, ein täglicher Schauplatz der tiefsten Herabwürdigung der Menschheit und des grenzenlosesten Jammers. Das Arsenal, die Waffenfabriken und andere, Staatszwecken gewidmeten Gebäude, sind mit hohen Mauern umgeben, dem Auge nicht sichtbar und für den Fremden nicht zugänglich. – Merkwürdige Ruinen der Vorzeit fallen, meistens verbaut von den türkischen Hütten, im Innern der Stadt selten in’s Auge; aber darum ist Constantinopel an ihnen nicht weniger reich. Ueberall reden dem Alterthumsforscher hier in Trümmern und Denkmälern Völker an, aus denen zum Theil keine menschliche Stimme mehr ertönt. Vom uralten Megaris, vor mehr als drittehalb Jahrtausenden Byzantiums Begründer, kennt man die Stätte kaum; aber hier zeigen kyklopische Substruktionen noch von den ersten Erbauern. Der ausgebildete, edle Kunstsinn der Milesier verräth sich noch in manchen Trümmern. Der welterobernde, römische Adler schwebt noch über tausend Denkmälern seiner Herrschaft. Der Thrazier, Bythinier, Gallier kurzes Daseyn ist fast spurlos verschwunden; aber von den Gebietern des Abendlandes, den Lateinern, den Venetianern und Genuesen zeugen die meisten noch vorhandenen Werke zu Trutz und zur Abwehr; –