Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
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wird fortschreitende Verbesserung nothwendige Wirkung jener Gesetze, denn eben so unaufhaltsam strebt der freie Mensch sich glücklich zu machen, als das Feuer empor zu steigen als der Stein zu sinken, als das Wasser sich zu ebnen sucht. Dort hat, seit länger als einem halben Jahrhundert, die Idee der Möglichkeit des allgemeinen Besserwerdens ein ganzes großes Volk durchdrungen, die rechten Mittel dazu hat es erforscht, geprüft, angewendet und bewährt gefunden. Durch die Auswanderung, die ihm die Blüthe der europäischen Menschheit zuführt, knüpft es die Zurückbleibenden jährlich mit tausend und aber tausend neuen Fäden an sich, und an diesen Fäden schlingen sich die transatlantischen Ideen herüber, und durchdringen unbemerkt der Massen Mark und Gebein. So beginnt und hat begonnen ein wechselseitiger Unterricht der Völker dieß- und jenseits des Ozeans, den keine Gewalt auf Erden mehr aufheben kann. Wenn nun als Folge dieses Unterrichts die Massen der Völker diesseits eingesehen haben, welches die Grundursachen des Glückes der Einzelnen und der öffentlichen Glückseligkeit sind; wenn sie ihre natürlichen Rechte, ihre natürlichen Pflichten in der Gesellschaft erkannt haben, werden sie sich dann nicht vor den Täuschungen der Habsucht, der Mutter der Ungerechtigkeit, vor Revolutionen und Anarchie verwahren lernen? werden sie dann nicht fühlen, daß sie mäßig und gerecht seyn müssen, weil der Vortheil und die Sicherheit eines Jeden darin besteht? werden sie dann nicht einsehen, daß es ein Rechnungsfehler der Rohheit und der Unwissenheit ist, auf Kosten Anderer gewaltthätig genießen zu wollen, weil Wiedervergeltung, Haß und Rache daraus entspringt und die Anarchie, nach ihr aber noch härterer Despotismus, die unzertrennlichen Begleiterinnen von Revolutionen sind, welche mit dem Zerbrechen der Wage der Gerechtigkeit beginnen? Und die Könige und Fürsten, werden diese, fühlend, daß sie so aufgeklärten Völkern gegenüber, ihre Macht ohne Gerechtigkeit und Wohlthätigkeit nicht erhalten können, dann ihre Regierungsgrundsätze nicht modifiziren, sie nicht den Wünschen des Volks und den wahren Zwecken des Staats ausschließlich anpassen? werden sie dann nicht an der Spitze der neuen Ideen ihren würdigsten Platz einnehmen? Wird aber dann nicht die wahre Aufklärung mit Riesenschritten über den Welttheil schreiten, und muß dann nicht von Volk zu Volk ein Gleichgewicht der gegenseitigen Kräfte entstehen, wodurch, eben so wie durch die öffentliche Moral, Alle in der Achtung gegenseitiger Rechte erhalten werden? Ist aber dann Krieg noch möglich? und ist dann das goldne Zeitalter, in dem das gesittete Menschengeschlecht eine Familie ausmacht, die, durch einerlei Geist nach einerlei Grundsätzen regiert, alle Glückseligkeit genießen wird, deren die menschliche Natur fähig ist, noch eine Chimäre? Soll’s aber in Ewigkeit Traum bleiben, so bleibt’s zunächst Traum für den europäischen Theil der Menschheit. Mindestens soll man es Dem nicht verdenken, der die verhaßten Wirkungen der äußersten Ungleichheit der Reichthümer und Stände berechnet, und an die Erschütterung[WS 1] und Explosionen denkt, welchen der Welttheil, in dieser Periode der Parteiungen, ausgesetzt ist, oder der erwägt, wie langsam jener vorerwähnte Bildungsprozeß der Massen nothwendig von statten geht,
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Erschütterrung
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/174&oldid=- (Version vom 10.6.2024)