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Seite:Meyers Universum 1. Band 1. Auflage 1833.djvu/187

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XLI. Dieppe.




Die französische Nordküste ist sehr reich an pittoresken Ansichten: St. Malo, Calais, Abbeville, Eu, Treport, Honfleur, Mont St. Michel sind reizende, berühmte Punkte; aber malerischer als die Lage von Dieppe, von der Seeseite her betrachtet, ist keine auf der ganzen Küste.

Man denke sich ein Gestade auf eine Strecke von mehren Stunden eingefaßt mit seltsamen Felsgestalten aus weißem Sandstein, die sich, umtost von der schäumenden Brandung, oft mehre hundert Fuß über dieselbe erheben. Aus diesem Felsenkranze treten 2 Colosse hervor, der eine mit kahlem Haupte, der andere mit hohen Mauern und Thürmen gekrönt, von deren höchsten Warte in der Nacht eine weit über die Wogen hin leuchtende Flamme, führend und warnend zugleich, lodert. Beide Felsen trennt, als wären sie von der Hand der Allmacht gespalten, eine tiefe Schlucht. Pfahlwerke und niedrige Wälle sperren diese gegen das Meer hin; nur am Fuße des Schloßfelsens erscheint eine Pforte, durch welche ein Flüßchen, die Arques, seine klaren Gewässer dem Ocean zuführt. In jener Schlucht, durch Nebel und Rauch, erblicken wir die Kirchen und Häuser von Dieppe, aus deren undeutlichem Gewühle der Thurm der herrlichen Cathedrale hoch hervorsieht. – Der vortreffliche Stich, der diese Beschreibung begleitet, verbildlicht sie treu, jedoch nicht vollständig; denn der dem Schlosse links gegenüber liegende Felsen ist nicht sichtbar in dem beschränkten Raume. –

Dieppe ist uralt und seiner Größe nach dicht bevölkert. Es zählt über 21,000 Einwohner. Die Straßen sind schmal, winklich und schmutzig und von den hohen, düstern Häusern verfinstert. Der Hafen ist klein; aber sehr sicher und zur Aufnahme von ein paar hundert Fischerfahrzeugen, die ihn stets beleben, geschickt. – Dieppe nährt sich hauptsächlich vom Fischfang, und fast alle seine Einwohner sind direkt oder indirekt bei diesem Gewerbe betheiligt. Es unterhält nahe an 200 Fahrzeuge, und deren Führer gelten seit uralter Zeit als die furchtlosesten und kühnsten Seeleute Frankreichs. Jede Jahreszeit bietet den Fischern ihre besondere Gattung von Bewohnern der Tiefe zum Fang. Im Juli segelt die ganze Flotte der Diepper an die englische Küste bei Yarmouth zum Häringsfang. Im September bis in die Mitte Oktober beschäftigt sie derselbe an der Küste von Flandern und an der Mündung der Seine. Der Winter gehört dem häuslichen Leben an und der kleinen Fischerei an ihrer eigenen Küste.