Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
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In unserm trefflich ausgeführten Bilde ist sie mit aller der Treue und Genauigkeit versinnlicht, die auf so kleinem Raum von Griffel und Grabstichel zu erreichen war. Der Standpunkt des Zeichners war, auf der rechten Rheinseite, dem Strome aufwärts zugekehrt, der Fuß des Ehrenbreitsteinfelsens, dicht unter den Kanonen der Festung. Es ist nöthig sich dieß, bei Vergleichung mit obiger Beschreibung, zu vergegenwärtigen.
„Ich konnte mich“ – so schreibt der gemüthvolle Künstler – „bei der Skizzirung dieses Bildes eines seltsamen, unheimlichen Gefühls nicht erwehren; mir war’s, als befände ich mich in einem Zauberkreise, unter dem Einfluß böser Dämonen. – Die Natur war um und um so herrlich und groß, so reich und so gütig – wohin ich das Auge wendete, überall Zeugniß der Vaterliebe des Allmächtigen gegen seine Menschen, die ganze Landschaft gleichsam Gottes Zuruf: Seid glücklich, meine Kinder, und lebt froh und in Frieden! – Und der Menschen Antwort? ich lese sie, Jedermann verständlich, in den Wällen und Brustwehren, den Bastionen und Gräben auf allen Höhen und in allen Thälern ringsum, in den Mauern die über Mauern sich thürmen, in den Zugbrücken über ausgegrabene Abgründe, in den überall glitternden Bajonettspitzen und in den tausend Feuerschlünden, die, Verderben und Tod in den ehernen Leibern bergend, grimme Blicke nach allen Seiten hin werfen, gleichsam als harrten und lauschten sie dem ihren Bann lösenden Worte. Statt froher Gesänge glücklich und friedlich genießender Kinder der paradiesischen Natur schreckte mich das brüllende „Abgelöst!“ das drohende „Werda?“ der Wachen jeden Augenblick, oder das Musketengeprassel exerzierender buntfarbiger Automaten, die ich im Mauernlabyrinthe bald kommen und gehen, bald erscheinen und bald verschwinden sah. Auf den Vorsprüngen der Felsen, wo den flötenden Hirten suchte und die springende Ziege – begegnete meinem schüchternen Auge nur das Blinken eines behelmten Haupts, dessen mißtrauisch spähender Blick unmöglich mißverstanden werden konnte. Friede! ruft Gott von den herrlichen Höhen; von den finstern Menschenwerken, die sie krönen, antwortet Unfriede! das Echo. – Der unheimlichsten Gefühle voll beschleunigte ich die Vollendung meiner Skizze und eilte fort, erst dann wieder frei aufathmend, als ich mich außer dem Kreise wußte, in dem der wilde Kriegsteufel selbst Hoflager zu halten scheint. Thal-Ehrenbreitstein besuchte ich nicht, zufrieden zu erfahren, daß Metternich da geboren sei. Auch nach Coblenz bin ich nicht gekommen. Unter dem Regimente der Kanonen könnt’ ich auch im Paradiese nicht froh werden, und darum mied ich’s. Doch sagte man mir, daß Coblenz ein recht lebensmunteres Völkchen bewohnt.“
So idyllisch als unser wackrer Zeichner sind nun wohl die wenigsten unserer Leser gestimmt, und darum dürfen wir’s schon wagen, einen Augenblick länger in des „Kriegsteufels Zauberkreise“ zu verweilen.
Coblenz, sonst Residenz des ehemaligen Kurfürsten von Trier, hernach Präfekturort des französischen Departements Rhein und Mosel, jetzt Hauptstadt der preußischen Provinz Niederrhein, ist eine bedeutende Stadt, (sie zählt 16,000 Einwohner in 1100 Häusern), die aber vom Flusse aus noch viel größer erscheint, als sie wirklich ist, weil
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/52&oldid=- (Version vom 5.6.2024)