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Seite:Meyers Universum 2. Band 6. Auflage 1835.djvu/124

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grenzenlosen Luxus der Bürgerweiber von Brügge ausgerufen: ich glaubte hier die einzige Königin zu seyn und ich finde viele hundert glänzender als ich! In jener Zeit war Brügge auch die Wiege der wieder auflebenden Künste. Van Eyck, der Erfinder der Oelmalerei, stiftete hier die niederländisch-niederdeutsche Schule. – Amerika’s Entdeckung, die Auffindung des Wegs nach Indien und Afrika, der Verfall Venedigs, die Verschüttung des Ostender Hafens endlich durch Kaiser Friedrich, worauf die größten Kaufleute nach Antwerpen auswanderten, brachten Brügge von seiner schwindelnden Höhe pfeilschnell herab. Der Reichthum entfloh mit dem Handel, der ihn geschaffen hatte, und längst ist Brügge nur noch ein Schatten von ehedem. Zeuge aber von dem was es gewesen ist, sind seine grandiöse Bauart, die vielen Paläste im altspanischen und venetianischen Style, die seine Mauern umschließen.




LXXIII. London.




Im schönen Britannien ist ein Landstrich 95 englische Geviertmeiten groß, von einem großen Strome in zwei ungleiche Hälften zerschnitten. Die kleinere, südliche ist eine sumpfige Niederung; die größere, nördliche durchziehen sanftansteigende Höhen mit weiten Thälern, von Flüssen reich bewässert. Sie war einst berühmt wegen ihrer Fruchtbarkeit, und hundert Dörfer und Flecken prangten inmitten goldener Fluren. Jetzt grünt kein Saatfeld mehr in dieser Gegend; die Haine von ihren Höhen sind verschwunden, und das Geläute der weidenden Heerden sind unbekannte Töne. Verwandelt ist das Land in ein ungeheures Labyrinth von Gebäuden, durch welches Gassen und Straßen ohne Zahl sich winden, und welches ein Durcheinander von Thürmen, Kuppeln und Denksäulen, das Auge verwirrend, überragt. Selbst der majestätische Strom scheint in einen schmalen Canal umgeändert, der unter dem Schatten von 10,000 Masten, die seinen Borden wie ein dichter Wald entwachsen, fast verschwindet. – Denke sich der Leser inmitten dieser Metamorphose, die ewige Nebel- und Rauchwolken magisch verschleiern, so steht er da, wohin das nebige Bild ihn zu versetzen strebt. Er steht in der Mitte London’s, der Hauptstadt der Welt, der größten aller Zeiten und aller Länder! denn des Alterthums gepriesene Prachtsitze der Menschen, – Rom, Babylon und Tyrus, Carthago und die Pharaonenstadt der Hundert Thore sind klein gegen sie, und nicht eine unter den übrigen Hauptstädten der Jetztwelt kann sich ihr vergleichen[1], ihr, die mehr Einwohner zählt, als manches Königreich, mehr Pracht, mehr


  1. Unter London wollen wir nicht blos das eigentliche London, sondern die ganze zusammenhängende, durch Straßen verbundene Häuserwelt betrachtet wissen, wovon London im engern Sinne nur den Mittelpunkt bildet. – Nur seit den letzten 20 Jahren sind durch den Neubau von 30,000 Häusern und von zahllosen Verbindungsstraßen über 20 bedeutende, früher durch Felder und Weiden getrennte Orte der Weltstadt einverleibt worden. – In diesem weitern Verstande übertrifft London an Größe Berlin fast zehnmal, Dresden dreißigmal, Leipzig hundertmal. Die Zahl der Häuser ist nahe an 320,000, die der Einwohner ungefähr 2¼ Million. Die 100,000 Fremde, welche sich täglich in London aufhalten, sind darunter mit begriffen.