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Seite:Meyers Universum 3. Band 1836.djvu/241

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eine sehr große Ausdehnung, und den im Verhältniß zu ihrer Häuserzahl kaum glaublichen Umfang von anderthalb Stunden. Eben dadurch wird es schwer, ihre Totalansicht in ein malerisch-schönes Bild zusammen zu drängen, ohne der Wahrheit wehe zu thun. Auch unsere schöne Ansicht versagt den Blick auf das östliche Ende, und die in den rechten Rand fallende Schloßruine Altenburg auf einem Felsen über der Stadt ist ebenfalls nicht sichtbar.

Bamberg, obschon uralt, macht eine Ausnahme von der Regel und gehört nicht zu den Orten, welche an den altstädtischen Zwang und den Gebrauch unserer Vorfahren erinnern, wie den Körper mit Panzerhemd und Harnisch, so ihre Wohnungen mit Gräben und Mauern zum Schutze gegen des Faustrechts Unbill einzuschließen, welches in Deutschland seine goldenen Zeiten erlebte. Nirgends sieht man finstere Thore, hohe Mauern, mächtige Bastionen, rasselnde Zugbrücken über tiefe Gräben u. s. w. Mit der Entfernung der äußern Zeichen des Zwangs scheint auch der Geist hier freier geworden zu seyn und das Leben sich in anmuthigeren Formen zu bewegen. Das in den deutschen Mittelstädten, vorzüglich denen der Nordhälfte des Vaterlandes, dem wahrhaft Gebildeten so ekelhafte Kastenabsondern, und jene widrigen, dort immer und immer wieder vorkommenden jämmerlichen Verhältnisse, welche die Gesellschaft in bleierne Fesseln schlagen, erscheinen hier wenigstens in milderem Lichte. Der Fluch des Stadtlebens, jene öden Zirkel, jene kalte Höflichkeit, jene leere Convenienz, jenes Geschäftigseyn und endlose Reden um Nichts, jene stets lächelnde, liebliche Miene, und des Anstands und guten Tons Honigworte, die unablässig von den Lippen träufeln, während Haß und Neid giftkochend im Herzen sitzen; jene ostentiöse Lust nach Genüssen ohne Genuß, und jenes dem Kenner so lächerliche Streben, ohne eine einzige Tugend den Heiligenschein aller Tugenden um sich zu ziehen: – alle diese dem edlern Menschen anekelnden, langweilenden, oder empörenden, und ihn der Geselligkeit entfremdenden Gebrechen der klein- und mittelstädtischen Gesellschaft, treten hier, wenn sie auch nicht unbekannte Dinge sind, doch weniger merklich hervor. Im Ganzen lebt man in Bamberg allerdings mehr ein Familienleben, als ein geselliges: tritt man aber in die Gesellschaft, so erinnert man sich ihrer Zwecke und man lebt dann mit humanem Sinn mehr Andern, als sich selbst. –

Gehen wir nun zur Schau der merkwürdigsten Gebäude Bambergs über, wie sie sich, vom linken Rande unseres Bildes aus, der Reihe nach dem Auge darstellen!

Als äußersten Punkt sehen wir eine Kirche auf der Höhe: es ist St. Gertraut, mit dem alten daranstoßenden Klostergebäude, jetzt eine Irrenanstalt. Ein Gnadenbild der Maria macht, daß das Gotteshaus noch immer sehr stark besucht wird. – Prachtvoll und mit ihrem Doppelthurm von der Höhe den Wolken zustrebend, sehen wir weiter rechts die ehemalige Benediktiner-Abtei Michelsberg, eine Stiftung des Kaiser Heinrich II. aus dem 11. Jahrhundert und sonst eine der reichsten Abteien Deutschlands. Als Bamberg mit Würzburg 1803 an Bayern kam, traf, bei der allgemeinen Aufhebung der geistlichen Stiftungen, auch diese Abtei das Loos der Säkularisation, und der Staat zog alle ihre Besitzungen an sich. Später wurden die Gebäude der Stadt überlassen und von dieser zum