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Seite:Meyers Universum 5. Band 1838.djvu/226

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theils durch das Glacis der ehemaligen, jetzt in Promenaden verwandelten Festungswerke, von ihren Vorstädten geschieden.

Ein hoher Grad von Bildung ist unter den mittlern und höhern Ständen allgemein verbreitet. Wenige Orte gleicher Größe werden aber auch eine so große Anzahl von Anstalten aufzählen können, die der Bildung und Erziehung recht eigentlich gewidmet sind. Die 1827 neuerrichtete Universität hat einige berühmte Lehrer, erfreut sich einer zunehmenden Frequenz, besitzt eine Sternwarte, ein vortreffliches physikalisches Cabinet und eine reichhaltige Bibliothek. Das Johanneum, eine ständische Stiftung, gibt Jedem, der sich unterrichten will, die reichsten Hülfsmittel an die Hand: man hat eine Auswahl der besten wissenschaftlichen Journale in mehren Sprachen, eine geordnete Geschäftsbibliothek von 15,000 Bänden, einen botanischen Garten, technische, naturhistorische und antiquarische Sammlungen. Hier werden von allen Ständen häufig besuchte Vorlesungen über Mineralogie, Zoologie, Botanik, Landwirthschaft und gewerbliche Chemie gehalten; auch besteht eine eigene Stiftung für öffentliche Vorträge über Vaterlandskunde und Geschichte, und eine musterhaft eingerichtete Leseanstalt setzt die neuesten und wichtigsten wissenschaftlichen Werke, sowohl deutsche, als ausländische, in Cirkulation.

Ferner befindet sich hier ein geistliches Seminar, ein Gymnasium, eine polytechnische Schule und eine Kunstakademie, mit welcher schöne Sammlungen von Gemälden, Kupferstichen, Handzeichnungen und Gypsabdrücken vereinigt sind; auch eine gut eingerichtete Cadettenschule und ein Militärknaben-Erziehungsinstitut. Die Menge mildthätiger Anstalten gibt eben so schöne Zeugnisse von dem Wohlthätigkeitssinn der Einwohner, als von dem humanen Geist der Regierung, welche diese Institute pflegt und reichlich unterstützt. Ich nenne unter vielen: das allgemeine Krankenhaus; die Gebär-, Findel-, Waisen- und Irrenhäuser; das Institut für die Versorgung verarmter, oder arbeitsunfähiger und altersschwacher Kaufleute und Handlungsdiener; eine Pensionsanstalt für Privatbeamte; ein Hospital für arme Dienstboten und Handwerksgesellen, und ein Mädchen-Krankenhaus, letzteres unter der Leitung der Elisabethiner-Nonnen. Handel und Industrie, getragen von der Bildung seiner Bewohner, blühen in Grätz ausnehmend, und an 11,000 Menschen finden in den hiesigen Fabriken etc. etc. ihren direkten Unterhalt. Mehre sind Anlagen in sehr großem Maßstabe, welche die Arbeiter zu Hunderten beschäftigen: z. B. die Kattun-, Tuch- und Wagenmanufakturen und die Zuckerraffinerien. Fünf Buch-, zwei Kunst- und Musikalienhandlungen und drei Buchdruckereien befördern den geistigen Verkehr.

Wie überall, so gibt es auch in Grätz einige Dinge, die Niemand ungesehen läßt, und die man in einer auch noch so kurzen Beschreibung ungern vermissen würde. Der erste Besuch des Fremden gilt gemeinlich der Domkirche, die einige gute Bilder und hübsche Skulpturen bewahrt. Dann dem Mausoleum, der Grabstätte Königs Ferdinand des Zweiten, ein merkwürdiges Werk der Baukunst in korinthischem Styl, mit seinen 2 schönen, von vergoldetem Kupfer überdeckten Kuppeln. Ein angebauter hoher Thurm verunstaltet mehr, als er ziert. Die

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/226&oldid=- (Version vom 10.9.2024)