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Seite:Meyers Universum 6. Band 1839.djvu/134

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CCLXII. Carlscrona.




Carlscrona ist für Schweden, was Brest und Toulon für Frankreich, Portsmuth für England sind: der Waffenplatz seiner Seemacht. Diese blühende und schöne Stadt, unter Carl IX. gegründet, erweitert von Carl XI., liegt an der schwedischen Südküste, am baltischen Meere, etwa 40 deutsche Meilen von Stockholm. Sie hat ungefähr 15,000 Einwohner. Es ist der wichtigste Hafen für den Export der südlichen Provinzen. Neben dem Handel und den königl. Anstalten halten Schiffbau und Rhederei, Taumanufakturen, Potaschen- und Seifenfabrikation hier mehre tausend Hände in Thätigkeit.

Aber die größere Wichtigkeit Carlscrona’s erlangt es als Friedensstation der schwedischen Kriegsflotte, und als der Ort, wo sich alle auf die Seemacht des Reichs Bezug habenden öffentlichen Institute und Anstalten, als: Werfte, Arsenal, Kadetteninstitut, Schiffbauschule etc. etc. vereinigen. Zwei Citadellen schützen Stadt und Hafen vor jedem äußern Angriff. Sie gelten als Meisterwerke der Befestigungskunst; viel größere Bewunderung jedoch verdienen die Docks und die Werfte. In diesen Bauten, wie in so vielen öffentlichen des Landes, spiegelt sich der große Geist des Alterthums wieder.

Die Docks sind aus dem Fels gehauen und gleichen Seen, in denen Flotten liegen können, und auf den Werften kann ein ganzes Geschwader zu gleicher Zeit in Bau genommen werden; das Arsenal aber hat zur Aufnahme des Rüstzeugs von hundert Kriegsschiffen Raum. Sieht man diese Werke, so denkt man unwillkürlich an einen Alexander, der die Schweden zu einem welterobernden Zuge habe führen wollen. Und wirklich war es eines Alexanders Geist, auf dessem Wink sie erstanden. Carl XII. erbaute sie. In jenen großen Tagen Schwedens lagen hier Flotten, gegen welche jene der andern Seemächte als bloße Geschwader erschienen, und hier schiffte Carl seine Heere ein, um Dänemark zu demüthigen, Polen zu schrecken, Rußlands aufkeimende Macht zu vernichten. Carlscrona ist ein Commentar der großen Entwürfe jenes Königs. Vielleicht zum Glück für Schweden und die Welt verhinderte sein früher Tod, sie auszuführen; denn kaum waren alle diese Werke vollendet, so traf ihn die verrrätherische Kugel vor Friedrichshall, und mit ihm verschwand Schweden für immer aus der Reihe der großen Mächte.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/134&oldid=- (Version vom 25.11.2024)