Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band | |
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der größten Seeschiffe tiefen Stroms hinzuführen, dazu mußten ganz neue Mittel erfunden werden; denn Aehnliches hatte man noch nie unternommen.
Die erste Arbeit war die Erbauung eines Thurms von 50 Fuß Durchmesser und 42 F. Höhe auf der Stelle des Themse-Ufers, wo der Schacht abgesunken werden sollte, von dessen Sohle aus der Tunnel selbst zu treiben war. Auf der Zinne dieses Thurms wurde eine Dampfmaschine von 30 Pferdekräften gestellt, dazu bestimmt, Erde und Wasser aus dem Schachte zu fördern. Sodann begann das Aushöhlen des Grundes unter dem Thurme. Man begreift leicht, daß dieser, so wie der Grund weggenommen wurde, sich vermöge seiner Schwere (sein Gewicht betrug 240,000 Zentner) allmählich einsenken mußte. Als er bis an den Rand eingesunken war, wurde der so gebildete Schacht durch weiteres Abteufen und Untermauerung bis auf 64 Fuß nieder gebracht und dann ein noch um 25 Fuß tieferes Reservoir ausgehauen, bestimmt, die Grubenwasser zu sammeln, und das Saugwerk der Dampfmaschine aufzunehmen.
Von der Sohle des Schachtes aus begannen im Januar 1826 die Horizontalarbeiten; die am eigentlichen Tunnel. Um solche zu ermöglichen und das Einbrechen des Themsebettes zu verhindern, erbauete Brunel einen Schild von Eisen und eichenen Balken, 4000 Zentner schwer, welcher aus 3 Stockwerken besteht und 36 kleine Kammern mit Oeffnungen hat, hinter welchen die Arbeiter stehen, um die Erde wegzuhauen. Der Schild kann fortgeschoben werden, und mit jedem Zoll, den die Arbeiter fortrücken, wird auch er vorwärts und dicht an die Erdwand geschoben. Hinter den Arbeitern, welche die Erde wegnehmen, stehen diejenigen, welche die gewonnene Strecke immer sogleich mit einem doppelten, wasserdichten Gewölbe übermauern. Vom 1. Januar bis zu Ende des Jahrs wurden auf diese Weise 360 Fuß Weg fertig, nachdem man große und unvorhergesehene Schwierigkeiten immer glücklich überwunden hatte. Je mehr man indeß der Mitte des Strombettes sich näherte, je mehr wuchsen die Hindernisse und Gefahren der ungeheuern Arbeit. Das Wasser strömte aus tausend unsichtbaren Klüften auf den Schild und die Arbeiter herab, und oft waren die Erdschichten, welche man durchfahren mußte, nichts weiter als ein breiartiger Schlamm. Die zunehmende Gefahr bewog Brunel am 22. April 1827, mit Hülfe von Taucherglocken, das Themsebett selbst zu untersuchen, welche kühne Operation er mehre Tage hinter einander fortsetzte. An mehren Stellen entdeckte er auch die Ursache, warum sich das Wasser in die Tiefe hinabzöge und stellte solche ab, indem er Lehm und Thon in Körben und Säcken versenkte. Absichtlich ließ er mehre Werkzeuge, Schaufeln und einen Hammer am Boden der Themse zurück. Als einige Tage später die Arbeiter im Tunnel eine schlammige Schicht anhieben, fanden sie den Hammer und eine Schaufel wieder. Diese Dinge hatten sich folglich durch das 18 Fuß dicke Sand- und Schlammbett der Themse bis zur Tunneltiefe hinabgearbeitet; ein schreckender Beweis für den lockern Zustand des Bodens.
Dennoch wurde die Arbeit rastlos fortgesetzt, als verschiedene große Schiffe, welche mit der letzten Fluth die Themse heraufgesegelt waren, unglücklicher Weise grade über dem Tunnel Anker warfen. Die Folge davon war ein
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/175&oldid=- (Version vom 7.10.2024)