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Seite:Meyers Universum 6. Band 1839.djvu/56

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mit christlichem Eifer paarte, der folgte dem allmächtigen Rufe. Theil nahmen noch viele Könige und Fürsten, unter ihnen auch Frankreichs und Englands Beherrscher, Philipp der Zweite und König Richard. – Keine spätere Zeit sah wieder eine so große Schaar von fürstlichen Helden versammelt. Der Drang nach Großthaten glühte in eines Jeden Brust; Ruhm war Aller Ziel, und im Streben darnach waren Neid und Eifersucht Allen gemein.

Richard hatte in vielen Kämpfen den Namen des Tapfersten errungen. In seiner Seele wohnte Löwenmuth, Löwenstärke in seinem Körper. War eine Feldschlacht: in den tiefsten Reihen der Feinde wehte sein Panier; galt’s zu stürmen: immer zuerst wehte Englands Fahne auf den Mauern und Wällen der Sarazenen. Im Uebermuthe der Kraft und des Glückes vermaß sich Richard gar oft, wenn’s zum Kampfe ging, den ersten, schönsten Zweig des Siegs von keinem Andern brechen zu lassen, und selten, oder nie, mißlang’s dem Könige. So hatte er auch gethan, als die Christenheere vor Ptolomais lagerten. Ein allgemeiner, letzter Sturm war eben im Rathe der versammelten Heeresfürsten beschlossen worden; da trat Richard auf und schwur, der Erste zu seyn, der das Kreuz, statt des Halbmondes, auf die feindliche Mauer pflanze. Als nun der Sturm geschah und Herzog Leopold mit den Völkern der Ostmark die Wälle zuerst erstieg und Oesterreichs Panier vor Englands von den Mauern wehte, da sprang Richard, von unwürdiger Eifersucht erfaßt, herbei und schleuderte Oesterreichs Fahne von der Zinne hinab. Leopold war tief entrüstet; aber treu dem zur Erhaltung der Einigkeit unter so vielerlei Völkern von jedem Kreuzfahrer geforderten Schwure, so lange der gemeinschaftliche Zweck ihn bände, teine persönliche Beleidigung zu rächen, unterdrückte er den gerechten Ingrimm über den erlittenen Schimpf. Doch verließ er bald darauf mit seinen Schaaren das christliche Heer und zog in seine Lande. In seiner Seele blieb der Stachel bitterer Feindschaft gegen den Löwenherz, und öffentlich hatte er geschworen, Genugthuung zu verlangen, sobald sich hierzu eine Gelegenheit bieten würde.

1192 kehrte auch Richard nach Europa zurück. Er gedachte in Venedig zu landen und über Genua und Frankreich England zu erreichen, folglich sowohl das Gebiet seines schwerbeleidigten Feindes, als auch das des Kaisers, bei welchem Herzog Leopold über den erlittenen Schimpf geklagt hatte, zu vermeiden. Angesichts Venedigs aber überfiel seine Flotte ein Sturm, viele Schiffe gingen unter. Das des Königs wurde bei Aquileja auf den Strand geworfen und mit Noth rettete Richard das nackte Leben. Verlassen und entblößt irrte er unter fremdem Namen im Lande seines Todfeindes umher und suchte die Grenze zu gewinnen. Ehe er diese jedoch erreichen konnte, fiel er den Kundschaftern Leopolds in die Hände, welche dieser ausgeschickt hatte, sobald des Löwenherz Unglück ihm zu Ohren gekommen war. Der Herzog übergab seinen königlichen Gefangenen dem Hund (Hadmar) von Kuenring, auf dessen Treue er rechnen konnte, zur Verwahrung auf dem Dürrenstein. Auf Befehl des

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/56&oldid=- (Version vom 16.11.2024)