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Seite:Meyers Universum 6. Band 1839.djvu/92

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Reichs zu verstopfen, war zu kränkender und stachelnder Art, als daß es nicht das Nachdenken jedes Patrioten zur Auffindung eines Mittels gegen so großes Uebel auf das Ernstlichste beschäftigen sollte. Schon im Anfang des 18ten Jahrhunderts kam daher die Idee von dem Bau eines für Seeschiffe brauchbaren Canals zur öffentlichen Erörterung, der, mit Umgehung des Sundes, die Ostsee mit dem Cattegat und dem Ocean verbände. Aber nachdem man sich von den damals unübersteiglich scheinenden Hindernissen überzeugt hatte, blieb der Plan liegen, ohne darum aus dem Kreise der öffentlichen Discussion zu verschwinden. Es vergingen 30 Jahre. Immer von neuem tauchte das Projekt wieder auf; immer von neuem sank der Muth zur Ausführung bei der Betrachtung der Schwierigkeiten, bei der vorliegenden Unmöglichkeit, sie zu überwinden.

Endlich trat eines jener verwegenen Genies auf, die nur geschaffen zu seyn scheinen, um den Unmöglichkeiten den Heiligenschein zu nehmen und zu vollbringen, was Keiner wagt. Polhem, ein schwedischer Ingenieur, zog die fixe Idee von der Unmöglichkeit des Kanalbaues in’s Lächerliche, und in einer Reihe von Flugschriften wies er die Ausführbarkeit, trotz aller Einwürfe der Gegner, siegreich nach. Seine Meinung schmeichelte dem Stolze und der Hochherzigkeit der Nation, und als Polhem sich erbot, an die Lösung der herkulischen Aufgabe Ehre und Leben zu setzen, und auszuführen, was er erdacht: – da forderte man für ihn mit Enthusiasmus die nöthigen Mittel. Polhem’s Plan war, den Kanal von Gothenburg aus mittelst des Götaflusses und der Seen Weener, Wetter u. s. w. quer durch Schweden in einer fast geraden Linie nach Stockholm und an die Ostsee zu führen. Der erste und schwierigste Theil des Unternehmens galt der Herstellung der Verbindung zwischen Gothenburg und dem Weenersee. Letzterer liegt hundert und achtzig Fuß höher als der Belt, und der Strom des Götaflusses, der die Wasser des Weener der Nordsee zuführt, macht auf dieser geneigten Ebene mehre Stürze, die zusammen über 112 Fuß Höhe haben. Der reissende Strom hat sich sein Bett durch den festen Granit gewühlt und die hohen senkrechten Felsufer scheinen jede Idee zu entfernen, ihn einen andern Weg zu führen. Grandios war die Idee Polhem’s, in den reißenden Wasserfällen selbst Schleußen zu bauen, und mit einem ewig bewundernswürdigen Muthe begann er die Ausführung gerade bei dieser mißlichsten aller Arbeiten. Jede Stunde und jeder Tag erschuf neue Schwierigkeiten und neue Hindernisse; aber eben so schnell erfand Polhem’s Genie die Mittel, sie zu besiegen. Er und der berühmte Wimann brachten die Schleußen wirklich zu Stande, das vollständige Gelingen des Plans schien gewiß und nicht mehr fern zu seyn; als eine beispiellose Bosheit das Riesenwerk vieler Jahre vereitelte. Wahrscheinlich auf Anstiften mächtiger Widersacher, deren Privatinteresse mit dem Mißlingen des Unternehmens Hand in Hand ging, (vielleicht auch auf geheimes Anregen Dänemarks, welches das Unternehmen mit erklärlicher Eifersucht überwachte), wurden in einer stürmischen, finstern Nacht 1200 der größten über den Catarakten am Ufer liegenden Baumstämme in’s Wasser geworfen, und hinab gegen die Dämme und Mauerwerke geschleudert. Diese konnten den gewaltigen Stößen nur theilweise widerstehen und von sechzig, in derselben Nacht bei den verschiedenen Arbeitspunkten wachenden Männern fand der größte Theil den Tod. Die öffentliche Meinung rief vergeblich die Regierung auf, die Thäter

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/92&oldid=- (Version vom 19.11.2024)