Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band | |
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und ihre geheimen Lenker zur strengsten Bestrafung zu ziehen. Es wurde zwar eine Untersuchung angeordnet, diese sechs Jahre lang hingeschleppt und das Endresultat war: – man hatte nichts erfahren! – Polhem und Wiman, keineswegs entmuthigt, wollten zwar das Werk mit den noch vorhandenen Geldmitteln sogleich von neuem beginnen: aber die Gegner benutzten den günstigen Umstand, um das Beginnen der Ingenieurs als baare Thorheit darzustellen; die Regierung verließ sie und von dieser Zeit an bis 1793 behandelte man das Projekt, wenn man es wieder zur Sprache brachte, als Chimäre. Polhem, der Vater, starb; sein Sohn diskutirte die Ausführbarkeit des Kanalbaus von neuem, und durch eine würdige und sachverständige Wortführung gewann der Begriff, sowohl von der Nothwendigkeit, als von dem Nutzen des Werkes, immer mehr Anerkennung. Man faßte die Idee auf, die Trollhättafälle zu umgehen, durch den stahlharten Granit ein Kanalbett von 1½ Meilen zu sprengen, und unter den Auspizien eines Aktienvereines, der 1804 begründet wurde, begannen die Arbeiten. Sechs Jahre ununterbrochener Fortsetzung derselben brachten diesen gewaltigen Bau zu Stande. Im ersten Jahre des neuen Jahrhunderts wurde er dem öffentlichen Gebrauche feierlich übergeben. Die Trollhättenstrecke ist etwa 3½ Meilen lang und hat, bei niedrigstem Stande, 6½ Fuß Wasser. Acht Schleußen gleichen den Unterschied des Niveaus von einem Ende zum andern aus. Der Kanal trägt Seeschiffe von 200 Lasten.
Sobald dieser Theil des Götakanals fertig war, konnte über die Möglichkeit, die Schifffahrt bis zur Ostsee auszudehnen, kein Zweifel mehr seyn. Alsbald trat ein neuer Aktienverein zusammen, und der Enthusiasmus für das Unternehmen war so groß, daß Stockholm und Gothenburg allein binnen 24 Stunden über eine Million unterzeichneten. Das arme Schweden brachte die verhältnißmäßig enorme Summe von 3 Millionen Thaler durch freiwillige Subscription auf, und den Rest der Kosten übernahm die Regierung. Revolutionen und die Stürme des Kriegs konnten den Bau des großen Nationalwerks wohl auf kurze Dauer, nie aber auf längere Zeit unterbrechen. Endlich, nach dreißig Jahren, unter der Regierung des weisen Carl Johann, ist der Götakanal kürzlich vollendet worden. Ganz abgesehen von den politischen Vortheilen, die dieses Wunderwerk dem Reiche errungen, datirt sich damit für Schweden eine neue Epoche der öffentlichen Wohlfahrt. 9000 Barken und Seeschiffe benutzen den Kanal schon jetzt alle Jahre; inländischer Handel und Gewerbe haben sich verdoppelt und beide beleben sich mit jedem Jahre mehr. So sehr übersteigt der Erfolg alle vorhergegangene Berechnung, daß man das Bette des Göta für den Verkehr schon zu enge findet und das öftere Aneinanderfahren der Schiffe als einen großen Uebelstand beklagt. Die ganze Länge des Kanals, die Seen eingeschlossen, welche seine Strecken verbinden, ist ungefähr 40 deutsche Meilen.
Bosheit und Intrigue brachten Polhem um den Ruhm, sein Werk zu vollenden; die spätere Ausführung geschah durch andere Hände und nicht nach seinem genialeren Plane. Polhem ist längst todt; Andere erndteten, wo er gesäet; aber einer jener Zufälle, die der Mensch so gerne mit Ehrfurcht betrachtet, hat es gewollt, daß gerade der Theil seiner Arbeit am Kanale noch seinen Namen trägt, welcher dauern wird, wenn alle Damme und Schleußen seiner
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/93&oldid=- (Version vom 19.11.2024)