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Seite:Meyers Universum 7. Band 1840.djvu/233

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geltend machend, zweimal Mailand’s; Franz I. aber verlor es wieder durch die Schlacht von Pavia, die ihm zugleich die Krone und die Freiheit raubte. Zum drittenmal fiel es Frankreich in die Hände im Jahre 1734, und Napoleon erwarb es erst der Republik, dann seinem Kaiserreiche. Mit des Eroberers Sturz kam es an das Haus Oesterreich zurück, unter dessen Herrschaft Mailand, als Hauptstadt des lombardisch-venetianischen Königreichs, fortblüht. Man schätzt die gegenwärtige Einwohnerzahl auf 170,000, ohne die Fremden. Die Anzahl der letztern muß nothwendig groß seyn an einem Orte, welcher der erste ist, der den Reisenden für längere Zeit fesselt, er mag nun über den eisigen Gotthard, oder über das Stilfser Joch, oder über die Simplonstraße nach dem Lande der Hesperiden wandern.

Das Innere Mailand’s zeigt auf den ersten Blick, daß der Reichthum der lombardischen Ebene hier seit Jahrhunderten zusammenfließt und bewahrt wird. Die Hauptstraßen (Corsi genannt,) sind breit, regelmäßig, voller Palläste; aber auch die Wohnungen in den engern, winklichen Nebenstraßen sind groß und stattlich. Viele der öffentlichen Gebäude und die meisten der 80 Kirchen sind schöne Denkmäler der mittelalterlichen Baukunst. Antike Ueberreste, an denen Mailand einst so reich war, sieht man fast nicht mehr; sie gingen bei der Schleifung der Stadt durch Barbarossa mit unter. Das einzige Bedeutende, was aus der Römerzeit noch übrig ist, sind sechzehn Säulen eines dem Herkules geweiheten Tempels in der Kirche San Lorenzo.

Der Stadt größte Zierde ist der Dom; von den Mailändern das achte Wunderwerk der Welt genannt. Er ist, nach der Peterskirche in Rom und der Paulskirche in London, der größte Tempel der Christenheit, und übertrifft jene beiden an Herrlichkeit und Pracht. Dieses Riesengebäude von weißem Marmor ist 454 Fuß lang, 270 Fuß breit, und das Hauptgewölbe hat eine Höhe von 232 Fuß. Dach und Kuppel zieren acht und neunzig gothische Thürmchen. Der Dom bedeckt einen Flächenraum von 3100 Quadratklaftern. Sein Inneres theilt sich in 5 Schiffe, getragen von 52 Riesenpfeilern, von denen die 26 mittlern 108 Fuß hoch sind und 9 Fuß im Durchmesser haben. Die Perspektive nach dem mit vortrefflichen Glasmalereien geschmückten Chor macht eine großartige Wirkung. Kanzeln und Chorstühle sind von kunstvoll ziselirtem Erze. Ein magisches Licht dringt durch die hohen, mit durchbrochenen, reichen Ornamenten versehenen und mit Spitzbögen geschlossenen thurmhohen Fenster und durch die im Kreuze befindlichen Rundfenster in die heiligen Hallen, welche mit mehr als 4000 Bildsäulen ausgeschmückt sind. In der Mitte des lateinischen Kreuzes, welches die Grundform des Tempels ist, erhebt sich auf 8 Spitzbögen, wovon jeder mit 15 Bildsäulen geschmückt ist, eine achteckige Kuppel, und über dieser eine durchbrochene Pyramide, deren Gesammthöhe, vom Boden der Kirche an, 335 Pariser Fuß beträgt. –

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/233&oldid=- (Version vom 19.11.2024)