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Seite:Meyers Universum 7. Band 1840.djvu/234

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Der Dombau, der noch unvollendet ist, wurde im Jahre 1386 angefangen und fast 200 Jahre mit kurzer Unterbrechung fortgesetzt. Napoleon führte ihn, mit einem Aufwande von vielen Millionen, dem Ziele nahe. Unter der jetzigen Regierung werden monatlich 6000 Gulden zum Ausbau verwendet. – Deutsche Baumeister haben den Plan zum Mailänder Dome entworfen und ihn auch in den schwierigsten Bauperioden geleitet. Schade nur, daß spätere, fremdartige Zusätze, in römischem Style, die Einheit und Harmonie stören. Obschon man in neuerer Beit das Unschickliche der Vermengung einsah, war es doch zu spät und nichts mehr zu ändern. Man berechnet, daß der Bau des Doms nach jetzigem Geldwerthe 13 Millionen Ducaten kostete. – Die Schätze der Kirche, welche ihr ein besonderes Glück durch alle Wechsel der Herrschaft und alle Zeitstürme gelassen hat, sind außerordentlich. Silber, Gold, Perlen und Edelgesteine machen sie zur reichsten in Italien. Unter den colossalen Statuen von massivem Silber sind auch die des Ambrosius und Carlo Borromeo, jener nicht nur heiligen, sondern auch wahrhaft großen Männer, die zugleich Wohlthäter des Landes und der Menschheit waren.

Rasch eilen wir an den übrigen Hauptsehenswürdigkeiten Mailands vorüber. – Die Basilika des heiligen Ambrosius (von diesem Kirchenvater selbst im 4ten Jahrhunderte auf den Ruinen eines Minerventempels erbaut, und von Barbarossa bei der Schleifung der Stadt geschont), ist eine der ehrwürdigsten und ältesten Kirchen der Christenheit, und ihre Denkmäler sind eben so merkwürdig durch die Zeit, der sie angehören, als durch die Kunst und die Personen, denen sie galten. Am Sarge des Stilicho gedenken wir des Wallensteins der Vorzeit. – Voll schmerzlicher Ehrfurcht treten wir in das Refektorium der Dominikaner und vor jene berühmte Wand, die das Herrlichste weihet, was die Malerei zu allen Zeiten hervorgebracht hat. Leonardo da Vinci’s Abendmahl des Herrn[1][WS 1] ist leider! ganz verblichen und eilt von Jahr zu Jahr seiner gänzlichen Zerstörung unaufhaltsam entgegen. – Auch alle übrigen Kirchen sind theils wegen ihrer Bauart, theils wegen ihrer Kunstschätze sehenswerth. – Unter den weltlichen Gebäuden gebührt ein Besuch zuerst dem Palazzo delle Scienze e arti (sonst Jesuiten-Collegium), in dessen untern Räumen die reich dotirten höhern Schulen für gemeinnützige, künstlerische und gelehrte Bildung sich vereinigen. Die obern Säle enthalten eine Bibliothek von 100,000 Bänden, welche jedoch nicht so reich ist, als die Ambrosianische. Diese hat längst Weltberühmtheit erlangt. Sie besitzt 80,000 Bände, die seltensten Druckerstlinge aller Länder und 15,000 Handschriften; letztere machen eine noch immer unerschöpfte Fundgrube für die Bereicherung der classischen Literatur aus. – Die Gemäldesammlung im königlichen Palast ist


  1. Morghen’s treffliche, in Kupfer gestochene Copie jenes Gemäldes ist in den Händen aller Kenner. Ein noch höheres Ziel, was geistiges Erkennen und Wiedergeben betrifft, erstrebt Wagner in seinem Stiche der Cena, welcher diesen deutschen Künstler seit Jahren beschäftigt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Anbindung siehe norwegische Ausgabe
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/234&oldid=- (Version vom 19.11.2024)