Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band | |
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Auf das um diese Zeit emporkommende Rom hatte Carthago frühe das Auge geworfen. – Durch zwei Handels- und Schifffahrtsverträge, die es 508 und 344 vor Chr. mit Rom abschloß, anerkannte letzteres förmlich Carthago’s Ansprüche auf das Recht, alle Meere ostwärts vom afrikanischen Cap Merkur ausschließlich zu beschiffen. Der Carthager Gebiet in Afrika dehnte sich aus bis an die Sahara; es schloß über 300 größere Städte ein. Sicilien, das reiche, blühende, reizte zunächst ihre Eroberungsgier, welche die inneren Zwistigkeiten der dortigen griechischen Colonien begünstigten. Aber hier stießen sie auf die Macht Griechenlands selbst, das seinen Töchtern Hülfe sandte. Das starke Syrakus nahm dem punischen Namen einen Theil seiner Schrecken. Fast zwei Jahrhunderte lang kämpften die griechischen Städte unter wechselndem Erfolg um die Behauptung ihrer Unabhängigkeit. Diese Kriege, von Seiten Carthago’s mit ungemessenem Aufwand durch fremde Söldner geführt, vergeudeten die Kraft des Staats, welcher bald mit einem neuen, furchtbarern Feinde sich messen sollte.
Rom rüstete wider Carthago, und bei Messina geschah der erste Zusammenstoß. Rom hatte das Recht der Durchfahrt durch die sicilische Meerenge vergeblich gefordert, und aus dieser Weigerung erwuchs zwischen den rivalisirenden Völkern jener erbitterte Kampf um die Weltherrschaft, der nur mit dem Untergange des einen oder des andern endigen konnte. Er wurde entschieden durch die drei punischen Kriege.
Der erste, der vier und zwanzig Jahre gedauert hat, (von 264–241 vor Chr)., gab Carthago einige nichts entscheidende Siege, kostete ihm mehre Niederlagen, viele hunderttausend Krieger, 500 Kriegsschiffe, die Herrschaft zur See, das Monopol des Handels und einen schimpflichen Frieden, durch den der Staat ganz Sicilien nebst allen zwischen Italien und Afrika gelegenen Inseln an Rom abtrat und diesem sich zur Zahlung von 3200 Talenten verpflichtete. Das Maaß so großen Unglück zu häufen, kehrten die eigenen Soldtruppen gegen die Gedemüthigte, als sie, erschöpft, die rückständige Löhnung nicht pünktlich abzahlen konnte, das Schwert und brachten ihr neue schwere Verluste und die größte Gefahr. Darauf folgte durch die Empörung der afrikanischen Vasallenstaaten der libysche Krieg, welcher, nachdem er drei Jahre im Herzen des Carthagerreichs gewüthet, nur mit den größten Anstrengungen durch Hamilkar gedämpft werden konnte. Daß nach so vielen Unfällen Carthago noch den Muth besaß, Rom ein zweites Mal zum Kampfe auf Leben und Tod herauszufordern, machte die Welt erstaunen. Es nahmen die Römer den Fehdehandschuh freudig auf, denn sie hofften, die Gehaßte leicht zu zermalmen. So entstand der zweite punische Krieg, und er brach aus im Jahre 218 vor Chr.
Dießmal hatte sich Rom verrechnet. Was Carthago in einer drei und dreißigjährigen Periode voller Niederlagen und Unglück an Kraft und Macht verloren hatte, Länder, Flotten, Handel, Herrschaft der Meere und den Schrecken des Namens, ersetzte ein einziger Mann – Hannibal, der größte Feldherr des Alterthums.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/248&oldid=- (Version vom 20.11.2024)