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Seite:Meyers Universum 7. Band 1840.djvu/29

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Das erste, mit vier korinthischen Säulen geschmückte Hauptportal ist der langen Brücke gegenüber. Der zweite Haupteingang ist der sog. Schloßfreiheit zugekehrt; sein Portal ist eine Copie des Triumphbogens des Septimius Severus in Rom. In dem einen Pfeiler befindet sich eine steinerne Wendeltreppe, innerhalb welcher die bei den Werder’schen Mühlen angelegte Wasserkunst hinaufgeht. Sechs freistehende Säulen römischer Ordnung reihen sich auf der Hofseite zu beiden Seiten dieser Durchfahrt. – Gegen den Lustgarten zu werden die schön gespannten Gewölbe des dritten Thors von 24 dorischen Säulen getragen. – Zu der Haupttreppe des Schlosses, einem Wunderwerk der neuern Baukunst, führt ein besonderer Prachteingang vom Hofe her, der von Außen mit Säulen und Statuen dekorirt ist. Man tritt in eine mit Bildern und Skulpturen ausgestattete Vorhalle, die durch zwei hohe Geschosse reicht; an der einen Seite derselben führt eine Wendeltreppe mit Stufen, auf der andern ein ebenfalls wendeltreppenförmiges Plano inclinito zwischen Wänden von Marmor hinauf zum großen Schweizersaale. Gallerien, im ersten Geschosse von gekoppelten dorischen Säulen, im zweiten von Arkaden getragen, laufen aus dem Treppenhause um den halben inneren Schloßhof. Zu dieser trefflichen Anlage machte Schlüter den Entwurf. An der Spreeseite steht der älteste Schloßtheil, recht pittoresken Ansehens, mit halbrunden Thürmen, Balkonen, Erkern und Vorsprüngen. Unsere Abbildung zeigt diese Façade.

Die innere Eintheilung des Pallastes hat vor vielen den Vorzug, doppelte Zimmerreihen zu besitzen. Außer den Wohnungen der königlichen Familie enthält es die grandiosen Räume für öffentliche und feierliche Staatshandlungen und für die Hoffeste. Letztere zeigt der Kastellan den Fremden. Die prachtvollste Parthie ist der sogenannte Rittersaal mit dem königlichen Throne. Aber interessanter sind jene Zimmer, welche der große Friedrich einst bewohnt hat. Sie nehmen einen Theil des ersten Stocks in dem auf den Schloßplatz stoßenden Flügel ein. Möbels, Einrichtungen etc. sind meistens noch aus Friedrich’s Zeit. – Im obern Stock des Lustgarten-Flügels gehört eine lange Zimmerreihe dem Kunstkabinet an und besonders sehenswerth ist dessen historische Abtheilung. Ehrfurcht schüttelt den Beschauer beim Anblick des Gypsabgusses, der vom Todten-Angesicht Friedrich’s II. genommen worden; mit Ehrfurcht sieht er andere Reliquien des großen Monarchen und seiner Heldenschaar; und mit nicht geringerer Ehrfurcht wird der Denker das rohe Modell einer holländischen Mühle betrachten, welches Peter der Große mit eigener Hand fertigte, während er in den Niederlanden als Schiffszimmermanns-Geselle arbeitete. Die Holzschnitzereien von der Hand Dürer’s und anderer großen Meister; die Silber-, Gold- und Elfenbein-Skulpturen und die Mosaiken von berühmten florentinischen und römischen Künstlern sieht man nirgends so schön und in solcher Menge als hier. Die frappanteste Zusammenstellung aber ist in einem Cabinet. – Friedrich der Große, so treu, als ob er lebte, in Wachs geformt, sitzt dort auf seinem gewöhnlichen Sessel an seinem Arbeitstisch; Lieblingsbücher liegen aufgeschlagen vor ihm und darneben die treue Tabaksdose, sein Spazierstock, seine Flöte und das letzte Taschentuch, ein häßlich

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/29&oldid=- (Version vom 26.10.2024)