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Seite:Meyers Universum 8. Band 1841.djvu/112

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zu. Die Maulthiertreiber, welche, wie die Cameeltreiber im Morgenlande, hier oft Caravanen (Condukten) von 1000 und mehren Thieren bilden, sind, sowie die Bauern, meist wirkliche Mexikaner, Nachkommen der Azteken, welche Cortez und seine Spanier in der Eroberungsepoche unterjochten. Neben der Sprache ihrer Väter reden Alle spanisch, und die Hauptzüge ihres Charakters sind noch die nämlichen, wie sie ihre Unterjocher vor 300 Jahren beschrieben: Gutmüthigkeit und Dienstfertigkeit. – Die immerwährende Abwechselung des Terrains, seine Zerrissenheit und die furchtbaren Bergschluchten machen die Anlage von Kunststraßen in Mexiko so außerst kostspielig, daß unter den gegenwärtigen Verkehrs-, Bevölkerungs- und Finanzverhältnissen des Landes solche gar nicht gefordert werden kann. Auch die Wasserstraßen bieten der Communikation und dem Transport keine Erleichterung. Die meisten Ströme sind wilde Bergwasser voller Schnellen und Stürze, und selbst die großen Flüsse sind nur auf kurze Strecken ohne Unterbrechung schiffbar. Daher bleiben dem Reisenden in den Gebirgen nur die Saumpfade übrig, die öfters große Strecken lang an den Abgründen hin, oder, im Zickzack, steilen Felswänden hinangehen, und er muß sich ganz auf den sichern Tritt seines Thiers verlassen. – Die mexikanischen Dörfer bestehen in den heißen Niederungen aus leichten Gebäuden von Rohrwerk, in den Gebirgen aus Lehm. Es sind mehr Hütten, als Häuser. Die Physiognomie der Landstädte ist schon besser. Die niedrigen, dachlosen Privathäuser machen zwar keinen Anspruch auf architektonische Schönheit, aber die öffentlichen Gebäude, Kirchen und Klöster zeigen häufig wahre Pracht. Jede größere Stadt hat ihr Theater und ihren Conzertsaal, und der in den vornehmern Ständen häufig anzutreffende Reichthum äußert sich in glänzenden Festen, wo man jedoch mehr noch als dem Vergnügen der Spielsucht opfert. Aechte Geselligkeit ist in Mexiko in der That nicht zu finden. Die fortwährenden politischen Kämpfe, denen das Land preisgegeben ist, hindern die Entwickelung des gesellschaftlichen Lebens mehr, als der ernste Charakter der Mexikaner. Partheigeist oder Furcht herrschen, und sie ersticken das geistige Leben, ehe es zur Blüthe kommt. Nur in der Hauptstadt wird dieß durch den Einfluß der vielen ansässigen Europäer etwas gemildert.

Groß sind die Erwartungen, unter denen der Reisende sich der Capitale des Landes nähert. Die anziehenden Erzählungen, die er von Jugend auf über die alte Hauptstadt der neuen Welt vernommen oder gelesen hat, über die Eigenthümlichkeit seiner Lage, über die Schätze seiner Klöster und Kirchen, über den Reichthum seiner Bewohner – dazu das Wunderbare seiner alten Geschichte, – alles Das prägt in seiner Vorstellung ein Bild aus, welches um so lebhafter wird, je näher der Erwartung die Wirklichkeit tritt.

Und in der That, schon beim ersten Anblick erkennt man in Mexiko die Hauptstadt eines großen Reichs. Obschon das Plateau, auf welcher sie liegt, 7000 Fuß hoch über der Meeresfläche sich erhebt, so scheint es doch, da es rings von weit höhern Bergen umgeben ist, wie ein tiefer Bergkessel, und die Menge der Dome,

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/112&oldid=- (Version vom 5.12.2024)