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Seite:Meyers Universum 8. Band 1841.djvu/220

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kann die Kunst des Islams sich auch nie zu der höchsten Kunstregion erheben; der Gedanke, daß die Kunst es sey, welche das Leben verkläre, welche im Irdischen das Himmlische offenbare, bleibt dem mohammedanischen Künstler verschlossen, ein undurchdringliches Geheimniß. Sein Gebiet ist nur die Architektur und auch auf diesem kann er sich blos in allgemeinen Formen bewegen: denn die Möglichkeit, die Ideen zu verkörpern und seinen Werken dadurch die eigentliche monumentale Bedeutung zu geben, tritt ihm gar nicht nahe, – statt des sinnansprechenden Bildwerks bleibt ihm nichts als – die Schrift.

Entfaltet ist die Architektur des Islams am schönsten in den Moscheen. Weder der Islam noch seine Kunst haben sich verändert; Stabilität ist ihr Leben und ihr Halt; daher ist auch der Moscheenstyl conventionell. Entlehnt den ältesten christlichen Basiliken, schließt sich gemeinlich eine Fronte der Moschee an einen viereckigen mit Arkaden umgebenen Vorhof an, und sie selbst ist nur eine Halle, in welcher mehre Reihen von Bogengängen hintereinander die Gläubigen zum Gebete versammeln. Man konnte das Ganze als die architektonische Verzierung eines offenen, heiteren Platzes betrachten, den vom werktäglichen Treiben eine Außenmauer sondert. Niemals fehlt der erfrischende, kühlende Springbrunnen, so wenig als auf den Vorhöfen der alten christlichen Basiliken. Das Minaret, mehr einer schlanken Säule als einem Thürmchen gleich, von dem herab der Küster die Stunden des Gebetes abruft, steht zur Seite. Es ist meist ohne künstlerische Beziehung zum Hauptgebäude, und nur in den größten Moscheen, die mehre Minarets haben, sind sie in symmetrische Ordnung gestellt. Oft deckt eine große Kuppel den eigentlichen Tempel; kleinere Kuppeln gruppiren sich dann über die Seitenarkaden und über die Arkaden des Vorhofs. In der Kuppelform selbst herrscht nach dem Oertlichen Verschiedenheit. Während in Europa die einfachere, die christlich-byzantinische fast unverändert geblieben ist, wird in Asien der Einfluß des brahmanischen Pagodenstyls sichtbar und die nüchterne Kunst des Islam wird gleichsam ihrem Grundcharakter untreu, sie gefällt sich in üppigen, decorativen Formen. Oefters bemerkt man an den hindostanischen religiösen Bauwerken eine Eleganz, eine Zierlichkeit und eine Freiheit, die von keiner andern Architektur erreicht, geschweige übertroffen ist. Bei dem Anblick dieser Gebäude fühlt man, wie hier das ganze geistige Streben des Künstlers in der Ornamentik aufgegangen ist. Er hatte nichts weiter, als eben die Ornamentik und er machte aus ihr Alles.

Am reizendsten und auch am großartigsten entfaltet sich diese Blüthe der moslemitischen Kunst in Indien und in Persien, wo das Feuer einer glühenden Phantasie gleichsam unbewußt und ungewollt dem Steine das Leben einhaucht. Besonders sind in den Ländern des ehemaligen Mogulstaats die Monumente zahlreich. Delhi, Agra, – die Residenzen der indischen Kaiser – sind damit angefüllt. Hier errichteten der prachtsüchtige Akbar und sein

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/220&oldid=- (Version vom 13.12.2024)