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Seite:Meyers Universum 8. Band 1841.djvu/221

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Sohn Jehan (von 1556 bis 1658), viele Moscheen und Paläste, – Werke, die nur bewundert, nie mehr nachgeahmt oder erreicht werden können.

Ein solches ist das im Bilde entzückende Moti Musjed, die Moschee des Kaisers Akbar in seinem Festungspalaste zu Agra, welchen die Britten jetzt als Citadelle benutzen. In dem Prachtsaale, wo der größte Monarch des mohammedanischen Orients seinen Hof um sich versammelte und gastmalte an goldenen Tafeln, da sind jetzt die Kisten mit britischen Armaturvorräthen aufgeschichtet, und gemeine Soldaten strecken ihre müden Glieder auf die Matratzen hin, wo einst die Sultaninnen auf seidenen Polstern ruheten. Vieles Herrliche des berühmten Herrscherhauses ist jetzt unwohnlich, vieles liegt in Trümmer.

Am wohlerhaltenen Moti Musjed, bessen Zierlichkeit seine Größe zu verhüllen strebt, ist kein Mörtel, kaum eine Fuge sichtbar. Alles daran, der Tempel, die Arkaden des Vorhofs, das Pflaster sogar, ist von geschliffenem, glänzenden Alabaster, der halb durchsichtig und so weiß ist, daß der gewöhnliche grau dagegen erscheint. In den Strahlen der Sonne glänzt das Gebäude in den schillernden Farben der Perlmutter, und wenn eine Tradition im Volke von faustgroßen Perlen erzählt, mit welchen dies Gebäude eingefaßt gewesen seyn soll, so mag man, bei dem Anblick der wirklichen Pracht, es ihr wohl zu gute halten.

Andere Luxusbauten ähnlicher Art – Mausoleen, Moscheen und Paläste – finden sich zu Allahabad, Jehanpore, Ahmadabad etc. etc. Das Wunder der indischen Welt aber, Taj Mahal, auch in Agra, welches die Architektur des Islams in seiner höchsten Vollendung und Entwickelung zeigt, haben wir schon in einem früheren Bande dieses Werkes beschrieben. Der gesammte Charakter dieser Architektur entspricht dem majestätischen und überüppigen Glanze des orientalischen Herrscherdaseyns, und gibt das treue Spiegelbild eines Fürstenlebens, das im Abendlande, zum Heil der Völker, unmöglich geworden ist.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/221&oldid=- (Version vom 13.12.2024)