Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
|
Kampf also und Ringen, Wettlauf und Wettstreben, nicht Ruhe, nicht Stillstand muß jeht auf der Erde seyn unter dem Walten des Oelzweigs. Der Krieg erstirbt; aber der Kampf bleibt lebendig: ein Kampf, der alle Kräfte bewegt, alle Elemente der Gesellschaft zur Theilnahme herbeizieht und doch kein Schlachtfeld röthet. Ein recht demokratischer, nivellirender Kampf ist es, bei dem meine republikanische Seele aufjubelt und mein die arme Menschheit liebendes Herz vor Freude hochklopft. Jagen nicht Alle nach dem einen Ziele, nach dem einen Preise, und unter dem einen Panier – dem der Gleichheit? Welcher Stand schließt sich noch aus? Nimmt der Strom der Industrie und des Erwerbs sie nicht mit einander auf und drängen nicht Alle sich auf der nämlichen Bahn? Der Ritter, der Freiherr, der Graf, der Fürst, Prinzen aus Königs- und Kaisergeschlecht, – all dieser stattliche Troß wirft die buntschäckigen Wappenröcke von sich und rennt mit nackten, arbeitsrüstigen Armen, Quasi-Kaufleute und Fabrikanten, mit dem Plebejerhaufen dahin, dem er ehedem sich nicht im Traume beigesellen mochte. Und nicht im Faschingsspaße, sondern im Ernste. Der hat den Speer zum Weberbaum gemacht, jener das Schwert zum Futtermesser, ein Dritter stellt Spinnmühlen auf in seinem Rittersaale und noch Andere trachten in Gewerbeausstellungen nach Ehre so eifrig, als die Ahnen nach Turnierpreis. Statt den Plan zu machen zu einem Feldzuge, der Länder verwüstet und Völker schlachtet, studirt der König die Rede für die nächste Versammlung, nicht des Reichs- oder des Fürstentags, sondern der Gewerb-Notabeln einer Provinz, und Mäkler sitzen im Rathe der Großen und diese erröthen darob nicht. Alle Schranken der Geburt und des Standes sind vor der industriellen Erklärung der Menschenrechte gefallen und die neuen Gleichheitsprediger durchziehen, sonder Scheu vor Herrschern und vor Kerkern, die absolutistischen Reiche. In diesem Sinne gährt es in Rußland wie in England, in Preußen wie in Frankreich, in Oesterreich durch alle Provinzen nicht weniger, wie in den Staaten des freien Bundes, den die Washington’s und Franklin’s aufgerichtet. In diesem Sinne ist ganz Deutschland in Bewegung und kein Bundesbeschluß steuert ihrem Fortschritt. Die Industrie, die Weltkönigin selbst, macht Revolution, auf daß unter ihren Stürmen ihr Thron sich mehr befestige. So ist alles auf den Kopf gestellt! Was hoch ist, eilt sich zu erniedrigen, der Niedrige steht dem Hohen gleich, der Adeliche drängt sich dem Bürgerlichen an, und der stößt den Hochgebornen zurück, für die unerbetene Ehre dankend. Chaotisch wirrt sich’s, drängt sich’s, reibt sich’s, stößt sich’s; doch erwächst eine Einheit daraus: – allgemeineres, größeres Menschenglück. Die Revolution geht vor unter den Augen der Mächtigen und – die Umwälzungsfeinde, hört! sie klatschen Beifall.
England ist in diesem Umwälzungsstreben weit voraus. Es gibt den Maaßstab für alle die Erscheinungen her, welche die andern Länder aus gleichem Streben zu erwarten haben, und der Britannia Siegesruf stachelt die übrige Welt rastlos zur Eile und zur That. Dort hat das Eisenbahnwesen, zumal in den letzten 5 Jahren, Wunder gewirkt, welche man zehn Jahre früher noch nicht als möglich denken, geschweige zu hoffen wagte. Längs
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/27&oldid=- (Version vom 30.11.2024)