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Seite:Meyers Universum 8. Band 1841.djvu/74

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eine Kloake. Die gefürchtetsten Feinde der Europäer sind die schwarze Brechsucht und das gelbe Fieber. Letzteres zeigt sich jeden Sommer, und wer es vermag, flieht dann hinaus auf’s Land oder sucht die reichen Kaffeepflanzer in ihren irdischen Paradiesen auf. Dort, wo eine balsamische, frische Gebirgsluft von den blauen Höhen herabweht, unter dem Schatten der Palmen und der Lauben von würzigen Mango’s ist das Leben der Menschen vor den Klauen des Todes wenigstens eben so sicher, als in einer Villa der Schweiz oder des Comersees.

Diese so gepriesenen Landsitze, die Cafetala’s, nehmen sonnige Gelände in Thälern und Gründen ein, welche die Bäche durchrauschen, die von den nahen Gebirgen in Menge herabströmen, um nach kurzem Laufe das Meer zu suchen. Ein solches Gut hat rundum eine Einfriedigung, gewöhnlich aus einer mit Blüthen oder nutzbaren Früchten beladenen Hecke bestehend, durch welche ein geschmackvoll gearbeitetes gußeisernes Gitterthor auf eine der vier, die Pflanzung kreuzenden Hauptalleen führt. Fruchtbäume, ausgezeichnet durch Glanz des Laubes und breite, schattige Kronen fassen diese Gänge ein: Mangos, beladen mit saftigen Früchten; Arogados mit dunkelgrünen, breiten Blättern; Mamoneen mit großen, zimmetbraunen Aepfeln, und viele andere Bäume, die durch Schönheit ihrer Form, oder durch Frucht, oder durch Blüthe die Aufmerksamkeit des Neulings fesseln. Die Luft ist mit Wohlgerüchen erfüllt, Goldkäfer und Tagfalter in den glänzendsten Farben, des Schutzes gegen die tropische Sonne sich freuend, gauckeln zwischen den Bäumen umher, oder sitzen saugend an den zuckerreichen Mangos; harmlose Eidechschen spielen auf dem Wege, oder klettern behende an den Baumstämmen hinan, bald smaragdgrün glitzernd, bald in den Farben des Regenbogens schillernd. Zu beiden Seiten der Hauptalleen blickt man durch die unabsehlichen, schnurgeraden Reihen der zierlichen Kaffeebäume, die zur Zeit der Reife im Rothe ihrer Beeren glänzen. Sie werden sorgfältig im Schnitt gehalten und man läßt sie nicht über 8 Jahre hoch treiben. Es tragen die aus der Baumschule gepflanzten jungen Bäume gemeinlich schon im nächsten Jahre, im zehnten geben sie die reichste Ernte, im zwanzigsten werden sie abgehauen und durch neue ersetzt. Eine große Cafetala hat 2 bis 300,000 Bäume auf einem Raum von höchstens 800 Morgen, und in guten Jahren gibt die Ernte einen Erlös von 80 bis 120,000 Gulden. Am Ende der perspektivischen Hauptallee breitet sich der Patio aus, ein Viereck von einigen hundert Schritten im Durchmesser, eingefaßt mit Beeten voll duftender Ziergewächse, oft auch mit Hecken der immerblühenden Rose, welche hier vortrefflich gedeiht. In der Mitte des Patio erhebt sich ein Gebäude von zwei Stockwerken, nach Maaßgabe des Reichthums des Besitzers zierlich oder großartig im Aeußern, immer zweckmäßig und bequem, oft sehr geschmackvoll im Innern eingerichtet, einladend durch das Ansehen von Ruhe, Reinlichkeit und Kühle. Das Haus ruht auf dicken Pfeilern, zwischen welchen die Luft frei zirkulirt. Der Oberbau besteht ganz aus Holz. Seit einigen Jahren werden diese Häuser fabrikmäßig und von den gefälligsten Formen in den Vereinigten Staaten gefertigt, und, zerlegt, zollfrei eingeführt.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/74&oldid=- (Version vom 2.12.2024)