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Seite:Meyers Universum 8. Band 1841.djvu/93

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Brunnen. Der erste quillt aus den Ringmauern unter dem Schatten von dreihundertjährigen Linden; der zweite entströmt einem colossalen, trefflich modellirten Schwan; der dritte, prächtigste, stößt aus einer, von vier eisernen Löwen getragenen, Marmorschaale einen 20 Fuß hohen Strahl empor. Die Löwengruppe ist Schwanthaler’s Werk, in Bodenwöhr gegossen. Ueber der Einfahrt prangen die Wappen des bayerischen Königshauses neben denen der Dynasten von Hohenschwangau, gehalten von zwei Rittern mit fliegenden Fahnen. Die Parterres des Schlosses nehmen die Stallungen, die Gemächer der Dienerschaft und das Gewächshaus ein. Eine prachtvolle Marmortreppe führt in’s erste Stock; zuerst in die Halle. Alte Waffen, Hüfthörner und Jagdspieße hängen an den Wänden und Glasmalereien leuchten in den hohen Bogenfenstern. In den Ecken stehen Ritter in ganzer Rüstung. – Aus der Halle tritt man in den Rittersaal. Alle Wände desselben sind mit Frescogemälden – vaterländischen historischen Compositionen, – von den Meisterhänden Nehers, Lorenz Quaglio’s und Albert Adams und dessen Söhnen nach den Kartons von Ruben bedeckt, und die Fenster schmücken Glasgemälde von Keller in Nürnberg. Herrlich ist die Aussicht aus diesem Saale nach allen Seiten. Rings erheben sich die Bergkronen des Thals, – der Degelberg, der Strausberg, der hohe Sailing mit dem Kreuze, der Pilgersteig, im Süden zieht der große Kitzelberger Forst den Rahmen, jenseits aber liegen die Tyroler Alpenfirnen, gleichsam angehörend einem andern Bilde einer andern Welt. An den Rittersaal stößt eine Reihe Zimmer und Säle, welche die eigentliche Wohnung des Kronprinzen ausmachen. Sie find alle al fresco mit vaterländischen Scenen, mehre mit Jagden, andere mit Landschaften als Erinnerungsbilder der Reisen des Fürsten im Oriente bemalt, lauter Werke guter Künstler der Münchener und Düsseldorfer Schule. Es halfen daran außer den bereits genannten: Lindenschmidt, Scheurer, Schwind, Glink u. A. In den Fenstern der Zimmer glühen Glasmalereien, theils alte, theils neue; und alle Verzierungen, alle Decorationen und das ganze Ameublement, letzteres theils aus Cederholz, sind dem Geschmacke des Mittelalters vollkommen angemessen. – Die zweite Etage des Schlosses nimmt der Heldensaal (mit Freskogemälden von Adam, Giesmann, Glink, Neher, Nilson, Schimon, Schneider etc.) ein,–- Scenen der den Nibelungen verwandten Wylkinasage. Der Geschichte der Hohenstaufen weihte die Kunst den Salon neben an; andere Räume der Geschichte der Welfen. Alle Fußböden sind von duftendem Cedernholz. Auf den Tafeln, Kamingesimsen etc. stehen und liegen eine Menge Kunstsachen des Mittelalters, – Pokale, Trinkhörner, Gefäße von kunstvoll getriebener Arbeit, Majolica, Schnitzarbeiten von Holz, Perlmutter und Elfenbein, alte Pergamentdrücke und Manuscripte, Missalen und Horen mit köstlichen Malereien et. etc., die allein schon den Kenner Tage lang beschäftigen können.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/93&oldid=- (Version vom 3.12.2024)