Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
|
Das Heiligthum der Natur in Hohenschwangau’s Umgebungen stellt aber noch weit größere, reizendere, mannichfaltigere Gemälde auf, als der Tempel der Kunst. Jede Berghöhe besitzt einen größern oder kleinern Cyklus von Schönheiten, und jeder Thalgrund führt zu gemüthlichen oder romantischen Naturscenen. Die Ausflüge nach dem Bannwaldsee, nach Garmisch, zu der Ruine Altschwangau, zur Burghöhe, nach der Gypsmühle, zum Schwansteig, nach Schwarzenberg und zum Sailing sollte kein Besucher Hohenschwangau’s unterlassen. Die interessanteste Wanderung ist aber den Degelberg hinan, wo man von den Felstribünen Brunterschroffen und Gratz die herrlichste Fernsicht genießt. Man überblickt die schwäbischen Gauen mit einem großen Theil Oberbayerns und die spiegelnden Flächen von mehr als 20 großen und kleinen Seen. Herrliche Aussicht bietet auch der Strausberg.
Nicht ist’s die Fabel vom politischen Gleichgewicht, was den europäischen Wappenadlern fort und fort Klauen und Schnabel schärft und der Hyder Krieg das Leben fristet, sondern die Ungleichheit der Cultur ist’s unter den Völkern der Erde. Durch sie werden Afrika und Asien an die Füße Europa’s gekettet und sie leiht den Königen stets neuen Vorwand, nicht nur ihre Ländersucht zu verfolgen, sondern ihr Eroberungsstreben auch durch das Interesse zu adeln, was die besten Menschen daran haben, daß Cultur und Gesittung sich verbreiten mögen über die ganze Erde. Aus gleichem Grunde nimmt es den rohen Völkern die Sympathien der gebildeten Welt, und deshalb werden Thaten, welche unter entgegengesetzten Verhältnissen Begeisterung hervorrufen und Tausende von Armen zu thätigem Beistand bewaffnen würden, mit Gleichgültigkeit oder mit kalter Anerkennung vernommen. Wen entflammt z. B. die Tapferkeit und Beharrlichkeit der Araber in Vertheidigung ihres Landes gegen die civilisirten Unterdrücker von der Seine? Der Aufstand der Griechen gegen ihre türkischen Herren – eine Schilderhebung, der alle Herzen entgegenschlugen, der die Edelsten und Besten freudig Leib und Leben opferten, die das Wunder gewirkt hat, einen König in einen Freiheitshymnen-Dichter zu verwandeln, – war dieser Aufstand legitimer, als der Kampf eines seit Anfang der Geschichte freien Volkes gegen die ihm Fesseln bringenden Slaven? oder ist Hellas Befreiungskrieg an Großthaten etwa reicher gewesen, als dieser? Und doch regt sich für die Tscherkessen kein Gänsekiel und
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/94&oldid=- (Version vom 3.12.2024)