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Seite:Meyers Universum 9. Band 1842.djvu/210

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CCCCXVII. Das Kloster Mafra bei Lissabon.




„Wir trafen die Mauthiere, welche unser lissaboner Wirth für uns gemiethet hatte, vor dem Thore seines Gasthauses, bestiegen sie unter den Scherzen ihres Führers und den Grimassen umstehender Gassenjungen und Pflastertreter, und ritten davon, gefolgt von dem Treiber zu Fuß, dem Arriero, der seine Thiere mit einem Stachelstocke unbarmherzig anregte. Lissabon ist sehr groß und möchte, mit Einrechnung aller der Felder, Gärten und wüsten Plätze innerhalb seiner Ringmauer, den Flächenraum von Paris reichlich einnehmen. Die meisten Straßen sind sehr lang, dabei öde; ihr Pflaster ist abscheulich. Oefters stellen sie, auf langer Strecke, nur ein paar Gartenmauern vor, über welche sich die Fülle der südlichen Vegetation hervordrängt. Dichte Rosengebüsche mit tausenden der schönsten Centifolien, eine über die andere hervorschwellend, weiß- und rothblühende Akazien, Orangenbäume voller Früchte, Cactus und Palmen ließen durch ihre Düfte die unangenehme Atmosphäre vergessen, welche Lissabons belebtere Gassen erfüllt. Als wir das Thor vor uns sahen, freueten wir uns darauf, dem Straßenpflaster zu entrinnen; aber wir wurden getäuscht. Auch die Chaussee war gepflastert und das Reiten darauf eine Marter. Die Landstraße, breit und prächtig angelegt, war menschenleer, was um so mehr auffiel, da sie nach zwei königlichen Landsitzen führt, und in die beste Gegend Portugals.

Die Landschaft selbst aber entschädigte uns vollkommen. Ueberall schweift der Blick über wohlgebaute Felder; üppige Saaten bedecken den Boden, und, obschon erst im April, so standen doch die Winterfrüchte schon in Aehren und die breiten Flächen glichen wogenden Meeren. Dorf reihete sich an Dorf; wohin wir schauten, da zeigten sich Wohnungen im dunkeln Laube der Oliven und von Citronengärten umgeben. Einzelne Grundstücke waren mit Hecken von Aloestauden eingefaßt, sowohl zum Schutze als zur Nutzung: denn ihre dicken, stachelbewaffneten Blätter werden vielfach verwendet, die Fasern zumal, welche, versponnen, äußerst dauerhafte Gewebe, Teppiche etc. etc. geben, oder zu Seilwerk verbraucht werden, das fast unverwüstlich ist. Wäre ganz Portugal so angebaut, wie diese Landschaft, wie glücklich wäre das Reich und wie es zu preisen! Aber dem ist nicht so; nur noch wenige Leguas, und diese Kultur hört auf, halb Portugal liegt brach, kein Pflug berührt mehr die mütterliche Erde, welche die kleinste Pflege so dankbar vergilt; niedergehauen sieht man die Pinienwälder, ohne