Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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daß ein Mensch daran dachte, für künftigen Bedarf andere zu pflanzen. Der Landmann, ein Bild der Armuth inmitten einer Wildniß, die ein Paradies seyn könnte, wohnt, wie der Samojede, in höhlenartigen Hütten ohne Fenster und ohne andere Ausstattung, als die des Schmutzes. Schwer besteuert, steuert er doch keinen Pfennig; er gibt nichts, weil da das Gesetz aufhört, wo nichts zu nehmen ist. Dieser elende Zustand ist die Folge eines langen Despotismus, des Drucks der Feudalverhältnisse, des Adels und der systematischen Verdummung durch Pfaffen- und Mönchswesen. Er ist tief mit dem Leben der Nation verwachsen und die Hoffnung zur Besserung liegt fern.
Im Schatten der Pinien vor dem königlichen Sommerschlosse von Cintra machten wir halt und ruheten aus. Nach Mafra, dem Ziele unserer Fahrt, hatten wir noch vier Leguas. Die Landschaft wird allmählich öder, dünner bevölkert, unfreundlicher, wasserarm. Wir ritten vier volle Stunden. Auf einer Anhöhe rief uns der Arriero zu und zeigte auf einen Ort in der Ferne, der ein Haufen niedriger Hütten war, aus deren Mitte, wie ein Zauberschloß, ein Gebäude von colossalen Verhältnissen emporstieg. Die kupfernen Dächer glänzten golden im Strahle der Frühlingssonne, die sich schon dem Horizonte zuneigte. Es war Mafra, das Kloster.
König Johann V. hat es erbaut. Es enthält über 500 Mönchszellen und eine königliche Wohnung von 170 Zimmern und Sälen; auch eine Basilika. Alles ist prachtvoll, königlich: Marmor, Jaspis, Silber und Gold sind an Säulen, Treppen, Fußböden, Wänden und Ornamenten in Masse verschwendet. Mit den Millionen, welche dieser Palast der Faulheit aufzurichten gekostet hat, mit den Millionen, welche die Dotation desselben verschlang, hätte der Monarch das kleine Portugal glücklich für alle Zeiten machen können und den Segen des Volks noch in den fernsten Geschlechtern verdienen mögen. Auch hier kehrt die Bemerkung wieder, wie so oft die Fürsten lieber Eisfelder als Blumenfelder schaffen, lieber mit Lavinen zerschmettern, als mit erquickendem Regen befeuchten, und lieber Kerker und Zellen für Verbrechen und für Volksbetrug bauen, als Anstalten aufrichten für tugendhafte Aufklärung und Volksbeglückung.
König Johann ließ die berühmtesten Baumeister seiner Zeit an seinen Hof kommen, aus deren vereinten Vorschlägen der Plan zu dem unnützen Riesenbau entstand. Italienische, spanische, niederländische und französische Künstler schmückten Mafra mit Gemälden, Statuen, Arbeiten in Holz, Bronze und Silber, und die Kirche mit kunstvollen Werken von Gold und Edelsteinen. Blos allein in der Vorhalle der Basilika und in den Seitenkapellen stehen achtundfünfzig kolossale Statuen der Apostel und Heiligen aus kararischem Marmor: ein Cyklus von Meisterwerken, wie man in ganz Portugal seines Gleichen nicht wieder sieht. Alle Thürbekleidungen sind aus schwarzem Marmor, der Eingang zum Chore ist von Bronze, mit Bilderschmuck überdeckt. Die
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/213&oldid=- (Version vom 4.1.2025)