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Seite:Meyers Universum 9. Band 1842.djvu/223

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Zur Kaiserzeit war dieses Museum der Stolz Frankreichs und die Bewunderung der Welt. Das Herrlichste, was Europa von Kunstwerken besaß, hatte des Eroberers Hand weggenommen und hier vereinigt. Wer Sinn für Kunst hatte, der pilgerte hieher, wie nach einem neuen Jerusalem. Eine solche Sammlung entsteht nie wieder.

Aber ihr Fundament war Gewalt und Raub und darum ohne Bestand. Die Tage der Vergeltung kamen; dem gedemüthigten Frankreich wurde Wiedererstattung des Raubs befohlen. Die gestohlenen Schätze verließen die Säle des Louvre und kehrten zu ihren frühern Eigenthümern zurück.

Was geblieben ist, ist Frankreichs rechtmäßiger Besitz. Der Reichthum ist immer noch groß, wenn auch mit dem frühern nicht zu vergleichen. Die Säle der antiken Skulptur sind in der That öde gegen ehedem, und in der großen Gemäldegallerie, die blos für die Werke der größten Meister bestimmt war, blieben von 1300 Bildern nur 250 übrig. Man hat seitdem die Lücken ergänzt; aber Gutes mußte an die Stelle des Besten treten, und manches Mittelmäßige die Räume ausfüllen, obschon alle Provinzen, die Kirchen und die andern königlichen Schlösser das Vorzüglichste hergaben und kein Kapitalaufwand gescheut wurde, die vorhandenen Sammlungen zu bereichern.

In seinem jetzigen Zustande ist das Louvre-Museum nach dem im Vatikan, was Gemälde anbetrifft, das erste in Europa. Alle Schulen und alle Zeiten sind würdig vertreten; am vollständigsten die französische Schule, von ihrem Beginn bis zu ihrer heutigen Entwickelung. Recht reich ist auch der Schatz spanischer Bilder und von Werken der großen Meister Italiens. Rubens Genie und das seiner flamändischen Zeitgenossen ist hier gut zu studiren. Schwächer ist die Sammlung an Holländern, am schwächsten an Tafeln deutscher Meister. – Die Saale für antike Skulpturen besitzen wenig von großer Bedeutung; desto größer aber ist der Schatz von Meisterwerken der französischen Bildhauerschule, besonders aus der neuern und neuesten Zeit. Abgüsse und Kopien der zurückgegebenen Kunstwerke, vorzüglich jener, welche in die florentiner und römischen Museen heimkehrten, füllen die Lücken aus. Da und dort sieht man auch Manches, was nicht mehr da seyn sollte. So die dem deutschen Kaiserdome in Aachen entnommenen 8 antiken Granitsäulen und jene aus der Gruft Karls des Großen. Die schlauen Franzosen machten, als man die Zurückgabe verlangte, den Einwand, die Säulen würden bei der Hinwegnahme Schaden leiden, und – man ließ sie ihnen. Daß der deutsche Michel 1815 in Paris ein Dummrian war, wissen wir längst; bei dieser Geschichte ist die Unehre aber größer, als die deutsche Albernheit. –

Die königliche Wohnung im Louvre wurde während der Restauration hergestellt; der Geist der Demokratie, der hier umgeht und geheimnisvoll fortwaltet, hat jedoch mit dieser Königswohnung ein wunderliches Spiel getrieben. Statt des Monarchen sind die Gewerbe eingezogen: – man hat sie nämlich den französischen