Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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tödtliche Dünste destillirt. Ehe die europäische Bevölkerung auf die benachbarten Höhen auswanderte, milderte die niederländische Reinlichkeit, die Sorgfalt, mit der man die Canale säuberte und die polizeilichen Einrichtungen, durch die man den klimatischen Einflüssen zu widerstehen trachtete, das Uebel; seitdem aber Batavia den Europäern nicht mehr sowohl ein Wohnort, als vielmehr ein temporärer Aufenthalt ist, dem man, so schnell es nur gehen kann, wieder entflieht, seitdem sind Vernachlässigung und Verfall in Batavia zur Herrschaft gekommen, und unter ihrem Einfluß hat sich das Mörderische der Miasmen von Jahr zu Jahr vermehrt.
Batavia’s Bevölkerung war ehedem streng in verschiedene Fraktionen geschieden, welche ihre besonderen Quartiere bewohnten; seitdem aber die Europäer meist auf das Land zogen, sind viele ihrer Häuser Eigenthum von Arabern und Mauren geworden. Indessen ist die bei weitem größte Masse der letztern immer noch in ihrem alten Stadtviertel, dem arabischen Kamp, zu finden. Dort wechseln niedrige, holländische Häuser mit buntem Anstrich mit den leichten Wohnungen von Bambus; der Stadttheil sieht fast ländlich aus. Die Araber und Mauren sind stille, betriebsame, geachtete Leute. Sie hängen treu und streng an den Vorschriften des Korans und halten viel auf den Ruf der Frömmigkeit. Die Holländer mengen sich nicht in ihre Gemeindeverhältnisse; sie genießen große Freiheit, ihre selbstgewählten Kadi’s schlichten ihre Angelegenheiten, und ihr Chef, dem das holländische Gouvernement den Majorsrang zugesteht, ist für das Betragen seiner Landsleute verantwortlich. Manche Araber erwarben sich in Batavia große Reichthümer. Die Geschäfte mit Gold, Silber, Perlen, Diamanten und andern kostbaren Waaren sind ausschließlich in ihren Händen. Sie machen in ihrem Leben wenigstens einmal eine Wallfahrt nach Mekka, und durch eine Ehrenpforte vor dem Hause bezeichnet man die glückliche Heimkehr jedes Pilgers. – Das chinesische Stadtviertel ist am dichtesten bevölkert. Der Weg dahin aber ist traurig; denn der Stadttheil, durch den er führt, ist fast menschenleer. Früher galt er als der reichste; aber die Ungesundheit des Orts hatte Anfangs dieses Jahrhunderts die Bevölkerung so grausam dezimirt, daß ein panischer Schrecken sie ergriff, Tausende ihre Wohnungen verließen und auf dem Lande oder in weniger verrufenen Stadttheilen ein Asyl suchten. Verfallene Häuser, eingestürzte Gräben, versumpfte Kanäle, verschlossene Wohnungen, mit wucherndem Unkraut überwachsene, todte, schmutzvolle Straßen bilden diesen Theil Batavia’s, und nicht eher, als bis man das chinesische Quartier betreten hat, wird die Scene anders. An die Stille tritt ein geschäftiges Leben, und das Menschengewühl auf den Straßen erinnert an die Zeiten, wo Batavia mit seinen 200,000 Einwohnern wohl verdiente, das Amsterdam des Ostens zu heißen. Die Chinesen treiben Handwerke aller Art, wozu ein natürliches Geschick zu allen mechanischen Arbeiten sie vorzugsweise eignet; die Werkstatt ist dem Chinesen zugleich sein Laden, wo er die Erzeugnisse seiner Hände zu Kauf auslegt; Gewerbsfleiß und Handelsgeist sind in ihm immer vereinigt. Kleidermagazine mit den nadelflinken Schneidern, Conditoreien und Parfümerieläden, niedlich aufgeputzter Galanteriekram in den Fenstern der Werkstätten
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/245&oldid=- (Version vom 6.1.2025)