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Seite:Meyers Universum 9. Band 1842.djvu/28

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„Am andern Morgen war die Höhe von Leiria erreicht und wir steuerten nun gerade östlich gegen die Küste los. Es kam eine niedrige Landzunge zum Vorschein, hinter derselben ragten die Thürme von Vicera. Dies war das Ziel. Tiefe Ruhe herrschte auf dem Wasser, tiefe Ruhe auf dem Lande vor uns; kein Segel war sichtbar, ein paar Schifferbarken schlummerten noch in einer kleinen Bucht. Als wir uns dem Lande näherten, störte das Rauschen unserer Schaufelräder die Seevögel aus dem Morgenschlafe, und ganze Wolken von Pelikanen, Möven, Tauchern und Strandläufern erhoben sich mit schallendem Flügelschlage. Ihre Anzahl setzte uns in Erstaunen und Mancher sah voll Lüsternheit den unerschöpflichen Waidmannsschatz, den zu heben der träge Portugiese nicht der Mühe werth hält.

In dem kleinen Hafen von Vicera stiegen die Regierungsbeamten und ich aus; das Dampfschiff aber, welches an demselben Tage noch Porto erreichen wollte, setzte ohne Aufenthalt seine Fahrt fort. Auf die Fürsprache der portugiesischen Herren bekam ich schnell Fuhrwerk nach Leiria, wo ich, fast zermalmt auf dem ganz schlechten Wege, doch ohne Unfall, am späten Nachmittag anlangte.

Leiria ist eine stille, in einer fruchtbaren Niederung gelegene Stadt von fast 8000 Einwohnern. Früher war sie bedeutender und unter den Römern groß. Sie liegt am Fuße eines Felsens, von dem das uralte Castrum halbzerstört mit finsterer Herrschermiene über die weite Ebene schaut. – Die Stadt selbst hat Nichts, was die Mühe einer beschwerlichen Reise lohnen könnte; – der Magnet, der Tausende von Reisenden herbeizieht, liegt außer ihren Mauern: es ist das weltberühmte Kloster Batalha. Es war auch mein Ziel und ich widmete seinem Besuche den nächsten Tag.

Batalha ist, wie man allgemein anerkennt, das schönste Spezimen des germanischen Kirchen-Baustyls auf der ganzen Halbinsel. Als Bauwerk ist solches um so bewundernswürdiger, da es zu einer Zeit ausgeführt wurde, wo man in Spanien und Portugal die verschiedenartigsten germanischen und maurischen Formen zusammen zu mengen gewohnt war.

Auch Kloster Batalha dankt, wie so viele ähnliche, seine Entstehung jenem Glauben des Mittelalters, demgemäß kein Ereignis im Privat- und öffentlichen Leben anders als unter der Mitwirkung oder dem Patronate irgend eines aus der Heiligenschaar geschehen konnte; – jenem Glauben, der alles Lebendige wie Leblose, von dem emporstrebenden Münster bis zum tiefsten Bergschacht, und vom Altare Gottes bis zum Weinfaß, unter den besondern Schutz eines jener himmlischen Prätorianer stellte, mit denen Roms Bischöfe den Thron des Herrn aller Welten so freigebig umringt haben.

Auf der Haide nämlich, wo jetzt das Schlachtenkloster prangt, standen sich am 14. August 1385 zwei christliche Könige, Johann von Portugal und Johann von Castilien, mit ihren Rittern und Knechten, zum Entscheidungskampfe