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Seite:Meyers Universum 9. Band 1842.djvu/36

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CCCLXXXI. Cassel; das Palais der Stände.




„Das schöne Cassel!“ so hieß es vor hundert Jahren; und so heißt es noch. In der That ist Cassel in dem deutschen Städteflor eine der schönsten Blumen, so viele seiner Schwestern auch seit vier Jahrzehnten ihre Blumenkronen entfalteten und so viele es an Größe und Bevölkerung (Cassel hat nur 30,000 Einwohner) übertreffen. Die Lage ist reizend. Heiter und schmuck wie eine Braut prangt es im Fuldathale, zu beiden Seiten des klaren Stroms, der hier Schiffe trägt, umgeben von Höhen, aus deren Waldkränzen Schlösser und Denkmäler schauen: zunächst ragen der Habichtswald, der Rheinhardts- und der Sörewald; westwärts aber, im Hintergrund einer offnen, wellenförmigen Landschaft, erhebt der Meißner sein massiges Haupt.

Der Fluß theilt die Stadt in 2 ungleiche Hälften, in die kleinere auf der rechten Seite, die Unterneustadt, und in die größere am entgegengesetzten höhern Ufer: die Altstadt – den alten Stadtkern mit unansehnlichen Straßen – und die Oberneustadt, den bei weitem schönsten Stadttheil. Eine fast 300 Fuß lange Steinbrücke schlingt das Ganze zusammen. –

Die partie brillante ist der Friedrichsplatz mit seiner nächsten Umgebung. Der Friedrichsplatz, der den neuen Stadttheil vom alten scheidet, bildet gleichsam das Propylon für die prächtigen Anlagen, die sich von da bis zu der Allee fortsetzen, welche Cassel mit den berühmten Scenerien der Wilhelmshöhe zusammen knüpft. Der Friedrichsplatz, ein längliches regelmäßiges Viereck, hat seine prachtvollste, über 1000 Fuß lange Fronte gegen die Altstadt gerichtet. Die Königs-, Karls-, Frankfurter- und Bellevue-Straße, 4 der schönsten Cassel’s, münden in denselben. Massive, stattliche Bürgerwohnungen wechseln mit Palästen. Ueber alle erhebt sich das kurfürstliche Palais mit einer 180 Fuß langen, mit einem Säulen-Portikus und mit corinthischen Pilastern reich verzierten Hauptfaçade; diesem zunächst, mit einer fast 300 Fuß langen Fronte im heitern, jonischen Styl, das Museum, der Bewahrungsort der berühmten Antiken-Gallerie, der Sammlung der Anticaglien, Gemmen, Mosaiken und von Kunstwerken aller Art; sodann der Bibliothek von 90,000 Bänden; der Kupferstiche, Holzschnitte etc. und mehren naturhistorischen Sammlungen; das Observatorium; die von außen einfache, im Innern aber prächtige katholische Kirche und das Friedrichsthor, eine porta triumphalis im römischen Style. Dasselbe führt