Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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zwar jenen Mausoleen an Größe nicht bei, in welchen des alten Memphis Könige begraben liegen und die wir in einem früheren Bande dieses Werkes beschrieben; aber an malerischem Effekt und an Zierlichkeit der Bauart übertreffen sie diese. Im Ganzen zählt man ihrer achtzig und sie sind in drei Hauptgruppen vertheilt, von denen eine, auf einer Anhöhe gelegen, eine weite Aussicht auf die Ebene beherrscht. Alle haben einen Eingang mit Vorhalle auf der Ostseite, ein Beweis, daß eine religiöse Idee zu Grunde lag; viele sind indeß zum Theil zusammengestürzt und bilden unförmliche Steinhaufen. Die Skulpturen im Innern lassen keinen Zweifel übrig, daß sie Alle Grabmäler von Königen sind. Viele sind wohl bis zur Hälfte in Schutt versunken; die größte ragt etwa 70 Fuß hoch empor. Das Material ist bei Allen das nämliche: Sandstein. Merkwürdig ist bei einer die regelmäßige Wölbung der Decke des Portikus, denn es ist das früheste Beispiel des Gewölbebaus. Wenn man jedem Könige im Durchschnitt eine Regierungszeit von 20 Jahren zutheilt, so umfaßt die Errichtung dieser Monumente einen Zeitraum von 1600 Jahren, und da Meroe als Reich schon 800 Jahre v. Chr. aus der Geschichte verschwunden ist, so kann man das hohe Alter dieser Denkmäler bemessen.
Auf den ehemaligen Umfang des alten Meroe scheinen noch einige, 2 bis 3 Meilen entfernt liegende Ruinen hinzudeuten, deren Masse selbst von den thebaischen nicht übertroffen wird. Im sogenannten Wady Oretaib sieht man Trümmer eines Gebäudes, dessen Umfang 3000 Fuß war. Es hatte die Form eines Vierecks von 700 bis 800 Fuß, und Heeren hält es für das große Ammonium selbst, den gefeierten Ort, von welchem Civilisation, Künste und Wissenschaften in das untere Nilthal und von da in die übrige Welt wanderten, und wo Alexander nach seinem persischen Zuge dem Jupiter Dankopfer brachte. Vielleicht irrt Heeren; wenigstens gibt der Mangel an hieroglyphischen Inschriften und plastischen Monumenten dem Zweifel ein um so geräumigeres Feld, da man voraussetzen darf, daß die Priester, im Besitze der Macht und als Herren aller Hülfsquellen des reichen Landes, das Heiligthum des großen Gottes mit angemessener Kunst und Pracht ausgeschmückt haben würden. Aber keine Spur deutet darauf hin, vielmehr läßt die Bauart eine Zeit erkennen, wo der alte Kultus mit seiner Kunst und Wissenschaft auf dem Wege des Verfalls schon weit vorgeschritten war.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/35&oldid=- (Version vom 29.12.2024)