Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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nach der Bellevuestraße, einer Reihe der prächtigsten Häuser und Paläste, mit freier, freundlicher Aussicht und einem andern kurfürstlichen Schlosse, dem sogenannten neuen Bellevue-Palais, in dessen Umfang seit Kurzem mehre naheliegende Gebäude, unter andern der Palast des Landgrafen Friedrich und die Maleracademie gezogen sind, welche ein Arkadenbau mit dem eigentlichen Schlosse verbindet. An dasselbe stößt auch die Gemäldegallerie, deren Fronte sich rückwärts in die Frankfurter Straße öffnet. Manches Hauptbild hat zwar diese berühmte Sammlung im Sturme der französischen Herrschaft verloren; doch ist ihr Schatz, namentlich an Hauptwerken großer Meister der niederländischen Schule, noch immer äußerst groß. Rembrandt und Paul Potter namentlich sind durch die berühmtesten Bilder repräsentirt, und nicht minder würdig Vandyk, Rubens und Vouvermanns.
An die schöne Karlsstraße stößt der Wilhelmsplatz, aus dessen Gebäudecyklus das Hospital der französischen Gemeinde, das Neustädter Rathhaus und die prächtige Façade des Meßhauses (ein Bazar mit von Säulen getragenen Gallerien, unter welchen die Kaufläden und Contore für die fremden Verkäufer zur Meßzeit angebracht sind) hervorragen. Nicht weit davon ist der Wilhelmshöher Platz, ein Sechseck, im Innern, wie die Squares der englischen Großstädte, mit Rasenplatz und Baumpflanzung, umgeben von schönen Gebäuden, unter denen sich, als Palast, das Fürstenhaus hervorhebt. An den Wilhelmshöher Platz stößt die eine halbe Stunde lange Königsstraße, wo mehre Prachtgebäude die Monotonie der hübschen Privatwohnungen angenehm unterbrechen: so das Schauspielhaus, das Hessen-Philippsthal’sche Palais, das Gouvernementsgebäude, das Waitz’sche Hotel, das Staatsministerium im grandiosen römischen Style. Der Königsplatz, ein weiter Cirkus aus schönen Gebäuden, fünftehalbhundert Fuß im Durchmesser, trennt die Königstraße in 2 Hälften; sein schönster Schmuck ist der ehemals landgräflich Rotenburg’sche Palast, jetzt Sitz der obersten Landesbehörden. Parallel mit der Königsstraße entwickelt sich die neue, nicht minder imposante Anlage der Friedrich-Wilhelms-Straße, deren Mitte Lindenalleen, Promenaden und Corso einfassen. Zwei Paläste im heitersten Style fesseln in dieser jüngsten Parthie der Hauptstadt das Auge zumeist: das Schwarzenberg’sche Haus und das Palais der kurhessischen Stände. Dieses wurde im Frühling der kurhessischen Freiheit nach einem großartigen Plane entworfen; aber es ging ihm, so heißt es, wie dem Verfassungswerke: – man schränkte und zwängte ein, schnitt da und dort ein Stück weg, und am Ende blieb von der Façade blos eine, die 7 Fenster breit ist, übrig, „weil die Mittel zu einem größern Bau nicht ausreichten.“ Für die jetzigen kurhessischen Verfassungszustände und ihre Bedürfnisse hat übrigens der Palast, der unter Ruhl’s und Rudolph’s Leitung vortrefflich ausgeführt ist, reichlichen Raum. Der Sitzungssaal (90 Fuß lang und 42 Fuß tief) kann außer den Deputirten über 300 Zuhörer auf den Gallerien fassen; aber dieselben sind
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/39&oldid=- (Version vom 29.12.2024)