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Seite:Meyers Universum 9. Band 1842.djvu/58

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CCCLXXXV. Teplitz in Böhmen.




An der Spitze der merkwürdigsten und unwiderlegbarsten Zeugnisse für den feuerflüssigen Zustand des Erdinnern stehen neben den Vulkanen die warmen und heißen Quellen, und als Gesundbrunnen und Bäder sind sie zugleich der Menschheit ein wohlthätiges Geschenk des Schöpfers. Schon in den frühesten Zeiten wurden ihre Heilkräfte erkannt, und es richtete die Dankbarkeit der Gottheit an solchen Orten Altäre und Tempel auf. Bald auch baute die priesterliche Schlauheit ihre Zollstätten daran, bis der Flügelschlag der Zeit die Opferstöcke, Wallfahrtskapellen und Leidensstationen nach und nach meistens zertrümmerte. Wo nun die Priester nicht mehr sind, da halten Andere an ihrer Stelle Aerndte, und im Pachtgeld der grünen Tische streicht wohl Mancher mehr Sündengeld ein, als Tetzel für Roms Ablaß, oder die Hüter der wunderthätigen Marien. Da paßt das Horazische:

Mutato nomine, de te fabula narratur.

Auch den Aerzten sind sie so häufig Nothhelfer als den Leidenden selbst. Wenn nämlich die Hartnäckigkeit einer Krankheit aller Kunst widersteht, ihnen bange macht oder Langeweile, und ihre Wissenschaft keinen Rath mehr weiß: dann schickt der Aeskulap den Patienten in’s Bad, und überläßt ihn dort der Heilkraft der Natur, oder – dem Tode. Solche verzweifelte Kranke aber sind es zumeist, welche, werden sie geheilt im Bade, den Gesundbrunnen jenen Ruf der Wunderkraft erwarben, welcher Leidende aus den fernsten Weltgegenden herbeizieht.

Kein Land in Europa ist gesegneter mit dieser Gottesgabe, als Böhmen, und die Gold- und Silbergruben des Kaiserstaats kommen in nationalwirthschaftlicher Beziehung diesen Bädern nicht gleich; denn mit den Leidenden fremder Länder ziehen all sommerlich auch die fremden Millionen herein, und diese bleiben zurück, wenn jene wieder in die Heimath gehen. Teplitz theilt sich mit Carlsbad in den ersten Rang der böhmischen Kurorte. Anmuthig, in einem von der Tepel durchschlängelten Thale, umgeben von den Vorbergen des Erzgebirgs, liegt das freundliche, reinliche Städtchen, das in 400 Häusern etwa 3000 Einwohner hat. Es gehört dem Fürsten Clary, dessen Schloß und Park Stadt und Gegend schmücken. Außer der Saison ist’s hier still und einsam; aber sowie die Nachtigallen im Tepelthale gehört werden, beginnt der Zug der Kurgäste über die Berge, und ein reges, glänzendes Leben blüht, und verblüht nicht eher wieder, als bis der Herbst die ersten falben Blätter auf die Wege streut.

Uralt ist der hiesigen Heilquellen Ruf und er reicht bis in das Dunkel der Sage hinein; seine glänzendsten Tage aber hatte das Bad in dem letzten Jahrzehnt, als der verstorbene König von Preußen sein „liebes Teplitz“