Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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Ich lobe den Herrn, denn er hat mich erhalten; ich freue mich des Herrn, denn noch lebe ich und kann wirken unter meinen Brüdern; ich preise seine Gnade, denn ich darf noch wallen in seinem hohen Tempel und von der grünen Erde aufwärts schauen in seine Sternenaugen voller Liebe. Nach langer Krankheitsnacht schimmerte der Tag der Genesung wieder morgenroth, und der Regenbogen neuer Hoffnungen steht glänzend am Himmel. Habt Ihr auch verzagt, Ihr Freunde! wie ich verzagt habe? O gewiß Viele von Euch hörten schon die Todtenglocke über meinem Grabe läuten, und gedachten mein in jener andern Welt, wohin die Seelen über Särge wandeln. Doch mein gebrochenes Auge blieb nicht geschlossen für immer; mein erstes Leben ist noch nicht geendet, in den Armen meiner Lieben empfing ich die Wonne des menschlichen Daseyns neu aus des Allmächtigen Vaterhand.
Ja, ich bin recht glücklich, daß ich noch lebe, daß ich noch verkehren kann mit den Menschen und mit ihnen und für sie arbeiten. Die Tage, die noch kommen: – ich zähle sie nicht. Jeder ist ein Geschenk, für jeden will ich dem Geber danken. Und füllen sich auch nicht alle Klüfte der Seele, welche die Krankheitsfluth gerissen hat, wieder mit Kräften an, wird mir auch nicht der Vollbesitz von Ehedem wieder, bleibe ich auch entfremdeter der Geisterwelt und in niedrigere Regionen herabgezogen: so will ich mich erinnern, wie reich mein früheres Daseyn begabt gewesen, wie ich mein Theil in Fülle gehabt, und Zufriedenheit soll hinfort der Rahmen seyn um meine spätere Armuth. – Es wird Euch nicht verborgen bleiben, Freunde, daß ich noch nicht völlig genesen bin. Bald genug werdet Ihr bemerken, daß, häufiger als ehedem, dem Funkenspiel meines Geistes das entzündende Feuer gebricht und meinen Worten die magnetische Kraft in minderem Grade beiwohnt, welche Herzen anzieht, dem Auge den Glanz der Begeisterung verleiht und zur lebendigen Theilnahme spornt an dem Kampf der Tugend, des Rechts, der Wahrheit und der Freiheit aller Orten.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/73&oldid=- (Version vom 30.12.2024)