Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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und zertrümmert haben, diese Rümpfe und Ruinen von ganzen Gebirgen, welche umgestürzt wurden und nun die Thäler und Abgründe mit ihrem Staube füllen, über die sie herrschten! – Ernst mahnen diese Gräber der Alpen an die Vergänglichkeit alles Hohen und Festen auf Erden; wenn wir aber ihre grünen Decken sehen und die neuen, oft so schönen Bergformen, die aus dem Schutte der alten entstanden: so predigen sie zugleich die Ewigkeit des waltenden und gestaltenden Geistes, dessen unvergänglicher Hauch alles Geschaffene durchdringt. Erkenntniß kehrt dann in der Seele ein, ihre Zweifel schwinden und klar wird, daß alles untergehen ein Wiederaufgehen bedingt, eben so, wie Sonnenaufgang von Sonnenuntergang bedingt ist. In jedem fallenden Stäubchen sehe ich dann das Streben zum Neugestalten, und jeder sterbende Wurm beweist mir meine Unsterblichkeit. Ja, überall, in Allem, was mich umgibt, lese ich die Worte des Dichters:
Und hat der Geist die Erdenbahn vollendet,
Schwingt er sich auf, zum ew’gen Licht gewendet.
Dreimal heilig ist mir Zug’s stille, klare Fluth: denn Tell’s That ward auf ihr geboren und sein Kirchlein steht an ihrem Ufer. Seitdem die Geistersonne der Freiheit ihre ersten Aufgangsstrahlen blutigroth über Zug’s Gewässer geworfen hat, seitdem ist sie höher und immer höher gegen den Zenith heraufgestiegen. Schon leuchtet sie vielen Völkern, schon spiegelt sie ihr Bild in vielen Meeren, und in mehr als einem Welttheile schimmert’s auf den Auen im Morgenthau. Darum sey gepriesen, o See, an dem die Freiheit die ältesten Jubelfeste feiert.
Der Zugersee ist unter den bekannteren schweizer Wasserbecken der Alpen der kleinste. Er ist vom Vierwaldstädter See nur durch eine sehr schmale Landzunge geschieden. Weil er überall von hohen Gebirgen eingeschlossen ist, so hat er was Düsteres, Schwermüthiges in seinem Wesen. Nur bei’m Städtchen Zug, an der Nordseite, wird die Landschaft heiterer. Der Canton, dem er den Namen gibt, gehört zu den ältesten der Schweiz. Er ist der kleinste von allen: denn 6 Quadratmeilen groß, bleiben ihm, da davon der See 4 einnimmt, nur 2 Geviertmeilen
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/87&oldid=- (Version vom 30.12.2024)