Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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Der Kampf verneinender Kräfte und Bestrebungen auf dem Uebergange aus einer alten Zeit in die neue dauert fort und zieht Alles in seinen Strudel hinein. Die Fermentation breitet sich mit jedem Jahre in weiter gezogene Kreise aus, die fernsten Reiche und Völker hat sie ergriffen, das Festeste ist erschüttert und beweglich geworden und der Umschwung der zersetzenden Ideen wird in steter Zunahme beschleunigt. Von den Völkerleben wird der Bann gelöst; alle Pulse schlagen schneller, voller, gespannter; die erhöhte Kraft verleiht den Nationen Selbstgefühl und Selbstständigkeitsstreben gegenüber den Regierern: aber die bessere Einsicht schützt zugleich vor dem Mißbrauch der gewonnenen Kraft. Selbst der Adel wirft seine todten Glieder ab und sucht seine Verjüngung im allgemeinen Lebensstrome. Er ist gewerblich und handelnd, er ist bürgerlich geworden, und in der Behaglichkeit des bürgerlichen Wesens und Treibens, oder schiffend auf dem Meere des beweglichen Reichthums, verliert er nach und nach die Vorurtheile und Gewohnheiten, die ihn den andern Ständen so lange entfremdeten. Seine alten Pergamentblätter gönnt man ihm gern; auch daß er sie forterbe von Geschlecht zu Geschlecht: – weiß man doch, daß ein besserer Geist aus seiner Mitte in die Zeit gestiegen, daß der alte Feudaldämon in Schrift und Druck, in Ablösungsgesetzen und Besteuerungsmandaten eingewickelt zu Grabe getragen wird, und der Adelstand seine Werkeltage hat, so gut wie die andern; – daß der Fluch: „Du sollst im Schweiße deines Angesichts dein Brod essen!“ an den hochgebornen Adamskindern nicht mehr leicht vorübergeht. Ja, sogar die Dynastien, die Fürstengeschlechter machen keine Ausnahme mehr von der allgemeinen Regel. Die Lotterbetten hat die Zeit den Thronen abgerissen, sie hat sie hart gepolstert; die uralten Sitze der Lust und des Vergnügens nimmt die Arbeit, nimmt die Sorge ein. Der Fürsten Anspruch auf Macht und Herrlichkeit mag immerhin als von Gott kommend gepredigt werden: die Meinung legt ihnen jetzt ganz andere Basen unter. Sie zieht sie vor ihren Gerichtshof wie andere Menschen. Ein thatenloser, fauler, oder unsittlicher Fürst stirbt jetzt schneller als eine Eintagsfliege in der Achtung seiner Unterthanen, und für einen solchen öffnet sich nirgends mehr der Mund der Sänger zu Lügen-Lob und Preis.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/99&oldid=- (Version vom 31.12.2024)