Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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Wahrlich! die goldenen Tage der fürstlichen Gewalt sind vergangen. Die Dichter ziehen nicht, wie sonst, lakayenmäßig im Gefolge der Höfe umher; die Kunst hat aufgehört, in ihrer Courfähigkeit ihr Höchstes zu finden, und die Weltgeschichte ist etwas Besseres geworden, als eine Hofhistorie, die, wie eine Mätresse, dem beszepterten Laster lächelt und gekrönter Verruchtheit dienstfertig in goldenen Schalen Weihrauch spendet. Noch sind zwar die Heere, Garden im großen Styl! als bestellte Hüter der Gewalt da: aber auch sie verrücken unvermerkt ihren Standpunkt, und Hüter des Staats sind schon die meisten viel mehr, als die der Dynastien. Der unbedingten Herrschaft entfallen selbst in den absolutesten Reichen die Stützen, der willenlose, leidende Gehorsam fesselt die Nationen immer weniger.
Wenn man einerseits übelbefestigte Gewalten, welche die Zeit nicht begreifen, mit immer matterem Herzschlage gegen die vereinten Massen von Licht, Recht, Kraft und Festigkeit ankämpfen sieht, – so wird auf der andern Seite der Blick durch das Schauspiel erfreut und gehoben, daß der Regenten und Staatsregierungen immer mehre sich des Widerspruchs mit der Natur der Dinge zu entledigen trachten, und statt ihre und ihrer Völker beste Kräfte im unnützen Kampfe zu verwüsten, die Sicherheit der Throne und Dynastien dadurch neu zu begründen suchen, daß sie die Sache des Volks aufrichtig zu ihrer eigenen machen, und so den großen Rechtsstreit verjährter Gewaltstheorien mit unverjährbaren Freiheitsansprüchen weise beendigen. Wo wir diese Bahn aufrichtig einschlagen sehen, da sehen wir auch die Keime des Hasses in den Völkern gegen die historischen Rechte der Herrschaft bald wieder welken und die Anhänglichkeit zu den angestammten Fürsten wiederkehren in alle Herzen.
Habsburg’s Fürstenhaus ist reich an solcher Liebe und war immer reich in der Treue seiner Völker. Keins auch hat ruhiger, fester in den Stürmen der Zeit gestanden und bei allen ihren Wechseln voll Glück und Unglück und allen ihren Versuchungen den Gleichmuth besser bewahrt. Nur eine schwache Stunde hat Habsburg gehabt, eine Stunde ohne Würde: auf die Tage der Volkserhebung von 1809 folgten Tage tiefer Schmach. Am Morgen nach der Schlacht von Eßlingen war der Genius des alten deutschen Reichs zum Letztenmale an dem deutschen Kaiserhause vorübergegangen; es war voller Furcht; es hat ihn nicht beschworen. Doch die Woge der Zeit hat diese schlimmen Tage, und auch jene spätern, wo Oesterreich, dem neuen, sich verjüngenden Deutschland fast fremd geworden, sich in der Abgeschiedenheit von den Brüderstämmen so sehr gefiel, fortgespühlt. Das Kaiserhaus hat seine sociale Bedeutung in Deutschland nicht für immer vergessen, und deutsches Volk, froh, daß die Entfremdungs- und Isolirungsidee von ihm gewichen ist, kommt ihm mit offnen Armen auf halbem Wege entgegen. Wie nur mit Oesterreich die Sicherheit Deutschlands wohl bestellt ist, so ist auch die höchste Entwickelung seines innern
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/100&oldid=- (Version vom 31.12.2024)