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wird aufs äußerste gespart, nur mehr das Allernotwendigste gegeben.

Wir müssen durchhalten!

Przemysl, den 9. Februar 1915,
     am 94. Tag der 2. Belagerung.

Der Februar bringt uns erst die eigentliche Winterkälte. Die Morgen sind kalt und hell und haben 8—10, bis zu 12 Grad Celsius. Die Tage sind blau und sonnig.

Für unsere armen Soldaten draußen im Vorfeld harte Zeiten. Trotz der nicht ungewöhnlich großen Kälte bringt man täglich Erfrorene in die Spitäler.

Sie essen sich seit vielen Wochen nie satt, ihr Körper hat nicht mehr die Widerstandskraft, den Einwirkungen des Frostes zu widerstehen. Selten meldet sich einer krank. Es soll vorgekommen sein, daß der diensthabende Offizier den wachstehenden Posten fragte: „Wirst du aushalten? Kannst du noch?!“ — „Zu Befehl, Herr Leutnant, ich kann noch!" Eine halbe Stunde später bricht der Mann auf dem Posten zusammen. Man bringt ihn ins Spital, den nächsten Tag ist er tot. Die Fälle derer, die an Erschöpfung zugrunde gehen, nehmen erschreckend zu. An einigen Punkten stehen unsere Feldwachen nur auf 300 Schritt Distanz den Russen gegenüber. Dort kann man sie nur bei Nacht und nach 24 Stunden Dienst ablösen.

Dazu kommt die übermenschliche Nervenkonzentration, die Anspannung bis zum äußersten, durch so viele Monate; das verbrennt den Menschen wie ein Licht, das an beiden Enden angesteckt ist.

Seit einigen Tagen gibt das Verpflegsmagazin wieder etwas mehr aus. Um die Ernährung der Mannschaft wieder besser zu gestalten, fassen sie in den nächsten

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/126&oldid=- (Version vom 1.8.2018)