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überrascht hat. Der Schloßberg hat wunderschöne alte Baumgruppen, besonders Silberpappeln, in denen der Wind mächtig orgelt. Dazwischen schöne Lärchen- und Tannenbestände. Und viele Roßkastanien, deren Früchte einem vor die Füße springen und zerplatzen.

Dann bin ich oft in meinem lieben Marburg, in der Heimat meiner Kindheit. Ich gehe an Papas Hand durch den lichten Jubel der goldig glühenden Kastanienalleen, die im letzten Herbstfeuer flammen. Und ich kann es nicht begreifen, wie es Menschen geben kann, die den Herbst traurig nennen. Mama ist da, und liebe, liebe Freunde nicken mir mit längst vertrauten Augen lachend zu.

Ich höre das Rollen der Böllerschüsse von Weinhügel zu Weinhügel gehen. Es ist Weinlesezeit.

Bis drüben, vor mir, in der Richtung von Lipowica, ein weißlich-grauer Rauchball in den Himmel tanzt, mit einem kurzen Aufblitzen und dröhnendem Schlag zerplatzt.

Das sind die Schrapnells, die Tod säen.

Und doch erfaßt mich kein Entsetzen.

Es dunkelt. Langsam gehe ich heim.

Draußen setzen alle Werke im Ring mit allen Lagen gleichzeitig ein, und die ganze Festung gleicht nur einem einzigen feuerspeienden Vulkan, der bis ins Innerste seines Kraters von der Gewalt der eigenen Explosion erzittert.

Unsere Getreuen wachen -!

Przemysl, den 3. Oktober 1914,
     am 16. Tag der Absperrung.

Gestern erschien bei unserem Festungskommandanten, F. M. L. Kusmanek, der russische Oberstleutnant Wandam und überreichte folgenden Brief:

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)