Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/60

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

kaum sprechen und bat mich, an seine Frau zu schreiben. Ich raffte meine ganze Beherrschung zusammen und ging zu ihm, mußte mich nah zu ihm beugen, um ihn zu verstehen, während er mir diktierte. Es war qualvoll. Ich bewundere Ärzte und Schwestern, die diesen Unglücklichen behandeln. Und ich denke an die arme, arme Frau und die sechs Kinder, wenn der Vater so grauenhaft entstellt heimkommen wird, daß sie ihn fast nicht wiedererkennen — sich vor ihm fürchten — o Marter! —

Dein Brief ist gekommen, mein Liebster! Vielleicht morgen — vielleicht übermorgen — aber bald — bald!

Und du weißt schon! „Freu dich mit mir, mein Kind, daß Österreichs Stern wieder im Aufgehen ist!“

8 Uhr abends. Große Proklamation: Wir sind vom Feinde befreit! Morgen, Sonntag, um 11 Uhr, Dankgottesdienst in allen Kirchen. Nach dem Gottesdienst feierlicher Zug der Bürger zum Festungskommandanten um zu danken. —

Jetzt lösen sich die Tränen, die wie erstarrt waren — Gott, gütiger Gott —!

Aus Anlaß der Befreiung Przemysls richtete Seine Exzellenz v. Kusmanek folgenden Festungskommandobefehl an die Besatzungstruppen.

     Offiziere und Soldaten!

Drei Wochen ist es her, seit der Feind vor den Wällen von Przemysl erschien und sich anschickte, die Festung einzuschließen.

Durch zahlreiche Vorstöße ist es uns gelungen, denselben bis in die jüngste Zeit von den Werken des Gürtels fernzuhalten.

In den letzten Tagen nun machte der Feind, aus seine Übermacht vertrauend, verzweifelte Anstrengunen,

Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/60&oldid=- (Version vom 1.8.2018)